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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug
Autoren: Gudenkauf
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drückte ohne zu zögern den Abzug. Der Tacker fiel ihr aus den Händen, und die Wucht des Schusses schleuderte sie nach hinten. Auf dem Rücken liegend schaute Mrs Oliver erstaunt auf ihre Hand, die mit einem Mal nutzlos geworden war, und auf den Blutstrom, der aus ihrem Arm floss. Genauso schnell drehte der Mann sich wieder um und richtete die Waffe erneut auf P. J.s Kopf. »Nein«, versuchte sie zu rufen, aber ihr Mund hatte endgültig die Arbeit eingestellt, ihr ausgerenkter Kiefer hing nutzlos herunter. In Erwartung des nächsten Schusses schloss sie die Augen. Es tat ihr so leid, und ihr einziger Trost war, dass sie da wäre, im Tod, um die Kinder ins Licht zu führen oder wo auch immer sie hingehen würden.
    Das Geräusch war nicht so laut, wie sie erwartet hatte, sondern eher gedämpft und wie aus weiter Ferne. Sie wagte es verrückterweise zu hoffen, dass das bedeutete, der Schuss hatte P. J. nicht so sehr wehgetan wie ihr.

AUGIE
    Ich stolpere, als ich die Tür öffne, und im Fallen sehe ich einen Mann, der P. J. eine Pistole an den Kopf hält. Ich versuche, nach ihm zu rufen, aber meine Stimme bleibt in meiner Kehle stecken, während ich zu Boden stürze. Lucys Schreie dröhnen aus dem Luftschacht. Der Mann dreht sich um und richtet die Waffe auf mich. Ich sehe die Überraschung auf seinem Gesicht. Ich bedecke meinen Kopf mit den Händen, dann explodiert der nächste Schuss. Plötzlich kann ich nichts mehr sehen oder hören, außer dem Klingeln in meinen Ohren, und als ich mich nach P. J. umschaue, sehe ich überall nur Blut.

HOLLY
    Ich habe mich so weit beruhigt, dass die Krankenschwestern mich in Ruhe lassen, und endlich habe ich meine Mutter davon überzeugen können, mir ihr Handy zu geben. »Dad?«, wiederhole ich und weiß anhand seines Schweigens, dass nichts in Ordnung ist. »Bitte«, flehe ich.
    Mein Vater räuspert sich, bevor er spricht. »Ich weiß nichts Neues, Holly. Ich habe versucht, herauszufinden, was genau los ist, aber mir sagt niemand etwas. Es tut mir leid.« Ich breche zusammen, als seine Stimme versagt.
    Schweigend weinen wir beide eine Minute zusammen. Ich glaube nicht, dass ich meinen Vater jemals zuvor habe weinen hören. Ich habe ihn noch nie so hilflos erlebt. »Erzähl mir von ihnen«, flüstere ich schließlich. »Erzähl mir, was ich verpasst habe.«
    Mein Vater schnäuzt sich ein paarmal, und als er spricht, ist seine Stimme belegt und voller Emotionen. »Oh Hol, du hast die besten Kinder der Welt«, fängt er an, und ich lehne mich in meinem Kissen zurück und nicke, während er spricht. Ja, das habe ich, denke ich. Das habe ich wirklich.

MEG
    In der Sekunde, in der Stuart sich von mir wegdreht, greife ich nach meiner Glock und ziehe sie aus dem Holsten Ich sehe Marias Lehrerin zurückfliegen, als die Kugel sie in der Schulter trifft. Als Stuart sich wieder zu P. J. umdreht, rufe ich den Kindern bereits zu, sich auf den Boden zu legen, und P. J. lässt sich sofort fallen und krabbelt hinter das Lehrerpult. Hinter Stuart rumpelt etwas, und Augie Baker stolpert aus dem Schrank. Stuart hat das Mädchen sofort im Visier, und ohne zu zögern zielen wir beide und betätigen gleichzeitig den Abzug.

WILL
    »Du hättest P. J.s Augen sehen sollen, als das Kälbchen herausgeplumpst ist«, erzählte Will seiner Tochter, während er auf der Rückbank des verriegelten Streifenwagens saß. Bei der Erinnerung musste er lachen. »Das Kind könnte gut und gerne Tierarzt für Großtiere werden.«
    »Oder Farmer«, erwiderte Holly sanft.
    »Ja, vielleicht.« Will konnte die Freude an der Vorstellung nicht verbergen, dass P. J. vielleicht eines Tages Rinderzüchter würde. »Und deine Augie«, fuhr er fort. »Sie hat, seitdem sie hier ist, noch keinen Bissen Fleisch gegessen. Aber sie ist unglaublich clever. Ihr Lehrer hat mir letzte Woche erzählt, er hätte noch nie eine begabtere Schreiberin gesehen als Augie.«
    »Wirklich?«, fragte Holly. »Das hat er gesagt?«
    »Er ist sicher …« Will hielt inne. »Warte kurz, Hol. Irgendetwas ist da los.«
    »Leg nicht auf, bitte, leg nicht auf«, bettelte Holly. »Sag mir, was du siehst.«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich kann es von hier nicht genau erkennen. Warte kurz.« Will klopfte fest gegen das Fenster in der Hoffnung, dass der Schnee abfallen und ihm einen freien Blick gewähren würde.
    »Was ist los?«, hörte er Holly durchs Telefon schreien. »Dad, sag mir, was geschieht«, wimmerte sie.
    Der Schnee, der am Fenster geklebt
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