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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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Verdacht, daß es ihm heute noch im Grunde völlig egal ist, in welche »Bewegung« oder »Richtung« er seine Fähigkeiten einbringt. Wie er alles hört, was es gibt, ob Disco, Punk oder Pop, könnte er auch ohne zu zögern überall mitspielen. Kuddel kümmert nicht die Idee hinter irgendwas oder ob das eine Punkband bei einer unabhängigen Plattenfirma ist, zum Beispiel; er ist bloß Musiker und liebt die Musik. Es ist gut für uns, daß wir wenigstens einen dabei haben, der musikalisch wirklich fähig ist.
    Aber es ist vielleicht auch gut für ihn, daß wir ihm eine Richtung geben. Sonst würde er noch bei einem Haufen wie Genesis landen, fürchte ich, ohne daran etwas seltsam zu finden.
    Ich aber, Andreas Frege alias Campino, ich kann schon deshalb nicht lügen, weil ich vom Artisten-Standpunkt betrachtet viel zu schlecht bin. Auf diesen Schutz kann ich mich noch eine ganze Weile verlassen, auch wenn ich mich, ohne bewußte Anstrengung, mit den Jahren allmählich verbessere. Wieviel Zeit mir dafür noch bleibt, sagt der Doc, hängt ganz von mir ab. Von mir und meinem Verhältnis zum Einsingen und zu Tinkturen - und dem, was man so »Karriere« nennt.
    Ich wollte in eine Band, ich wollte Sänger sein - ganz klar und von Anfang an. Mit fünfzehn Jahren dachte ich: »Du bist fünfzehn und hast noch immer kein richtiges Instrument gelernt, und die da drüben auf der Insel sind achtzehn, spielen in Bands und machen Platten. Du packst es nie!« Aber dann kam mein Bruder John, der sowieso an allem schuld ist, wieder mal zu uns nach Hause zurück und trat mir in den Hintern. »Wenn du’s nicht irgendwo versuchst, kann auch nichts daraus werden«, sagte er. »Du reißt nur das Maul auf und tust nichts. Geh mal raus, frag mal andere, die auch Musik machen wollen!«
    Also gehe ich raus - aber mehr um meinem Bruder abends erzählen zu können, ich hätte mich gekümmert. Gehe ins »Rock On«, lehne mich ganz lässig an den Tresen und verbreite da, ich wäre Sänger und suchte eine Band. Einen Tag vorher aber sind genau hier zwei andere Idioten aufgekreuzt, die angeblich eine Band gründen wollen und einen Sänger suchen. Die haben eine Telefonnummer hinterlassen, und natürlich sagt jetzt der Typ vom »Rock On«, ich sollte meine Nummer vielleicht auch mal hinterlegen. Ich bin mehr erschrocken darüber als wirklich beglückt, und ich hoffe und fürchte, daß sich in der Sache sowieso keiner meldet. Aber kein Musiker, auch kein Punkrocker, darf so eine dämliche Geschichte erzählen, wenn es bei ihm dann nicht doch irgendwann geklingelt hat.
    Wir verabredeten uns also um fünf im Plattenladen: Ingo, der »Gitarrist«, Bassist Isi und ich. Keiner von uns hatte eine Ahnung von Musik oder eine Anlage. Deshalb probten wir im Keller vom »Hof«, wo noch eine andere Band spielte, Mittagspause. Wir waren die kleinen Strolche - die von Mittagspause die großen, auf der Ratinger Straße berühmten Cracks. Eine andere große Band der ersten Stunde, Male, hat uns dann auch mal in ihren Keller gelassen. Um mich vorzustellen, habe ich denen ein paar Sachen von den Lurkers vorgesungen, und die von Male spielten dazu. Und eines Tages fahren wir gemeinsam mit der Straßenbahn zum Kleinkittelbacher Kleingärtnerverein - so hieß der wirklich! - und packen da in einem Keller eine Box aus, über die wir von nun an Isis Bass, Ingos E-Gitarre und mein krächzendes Organ laufen ließen. Ohne Schlagzeug, ohne Plan. Jedenfalls, bis Fabsi kam.
    Claus »Fabsi« Fabian war ein Vollproll. Eines Tages fuhr er in seinem VW-Käfer in den Kleinkittelbacher Anlagen vor und sagte: »Isch bin auch Pank,isch will auch Musik machen!« Er war nicht lange enttäuscht, weil wir schon einen für die Bass-Gitarre hatten, von der er träumte. Er sagte einfach: »Na jut, dann komm ich mit de Schießbud.« Eine Woche später war der Käfer wieder da, mit diesem Handschuhfach voller Punkband-Bildchen zum Aufkleben, die der Kerl sammelte wie Fußballbilder, und mit ihm ein nagelneues Schlagzeug,

    ZK 1978, von links unten im Uhrzeigersinn: Isi, Dieter, Fabsi, Campino, Ingo
    das er sich von seinem Lohn als kaufmännischer Angestellter geleistet hatte. Das Schlagzeug machte Fabsi auf der Stelle unkündbar; seine einfache Kaufmannsenergie brachte Struktur in unseren Laden. Er war um einige Jahre älter als wir, hatte aber noch weniger Ahnung, worum es ging. Und das war für Punk nicht die schlechteste Voraussetzung.
    Bald hatten wir einen Namen, »ZK Stadtmitte«, den uns
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