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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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zu behaupten, daß wir uns »unserer großen Verantwortung« als sonstwas bewußt wären, die wir nur »leider kaum angemessen« wahrnehmen könnten, weil wir (die tollen Hechte!) fast ständig unterwegs (wow!) oder im Studio (wow-wow!) wären und so weiter...
    Eine Zeitlang habe ich mehrfach öffentlich erklärt, wir würden unsere gesamte Fanpost sowieso immer verbrennen. Das hat natürlich auch nicht geholfen - Campino zerreißt meinen Brief persönlich und fährt die Schnipsel selber zur Müllverbrennungsanlage in Flingern; er liegt also ziemlich lange in seinem Wagen, ganz dicht neben ihm! So branden die Wellen der großen Gefühle also weiter an einen blonden Felsen namens Brigitte, die das meiste in unserem Geiste beantworten kann. Wenn wir mit einem Namen ein Gesicht, eine Erinnerung verbinden können, klemmen wir uns schon mal selbst dahinter. Der Punk aus Kanada, mit dem wir nach einem Gig in seiner Stadt zusammenhingen, das Mädchen von der Mosel, das uns regelmäßig ihre Sex-Phantasien zuschickte, aber leider potthäßlich war - solche Schwänke. Aber »Verantwortung« ?
    Ich bin nicht verantwortlich für alles, was der »liebe Andreas« oder »Der große Campino« irgendwo bei Leuten auslöst. Dieser »Mensch« ist eine Kunstfigur, eine sprechende
    Leinwand für überdimensionale Projektionen; für die kann niemand verantwortlich sein. Wer sich zu einem Lied von den Hosen das Leben nimmt, wurde nicht von uns ermordet. Er hat sich bloß einen Soundtrack für seinen Abgang ausgesucht, zu dem wir ihm nicht geraten haben. Wenn es uns nicht gäbe, hätte er sich eine andere Musik für seine Aktion genommen. Solche und ähnliche Geschichten passieren einfach, wenn du »Pop« herstellst, also hunderttausendfach verbreitete Produkte der sogenannten Populärkultur. Du wirfst ein Ding in den unendlichen, gekrümmten Raum und hast keine Ahnung und keinen Einfluß darauf, wo es herumsurft oder landet und was dann damit passiert.
    Ein Mädchen aus Österreich will keinen Sinn mehr in ihrem Leben erkennen, wenn ihre Liebe zu Campino keine Erfüllung findet. Sie schreibt: »Mein letzter Wunsch ist das du mich in Cornwall ausstreust an den Klippen wo d u als Kind gespielt hast. Und da wo du dich wohl fühlst. Es würde mich friedlich in tausenden von schönen Gedanken sterben lassen ...«
    Eine Hardrock-Clique aus Wernberg-Köblitz erzählt uns von einem tödlich verunglückten Kumpel, der mal gesagt hat, er wollte zu unserem Stück »Ehrenmann« (von der »Damenwahl») beerdigt werden. Seine Freunde legen am Tag der Beerdigung dieses Lied für ihn auf - und grüßen uns »In Gedenken an unseren Freund und Kumpel Sandro«.
    Die Redaktion einer Schülerzeitung aus Rhede bei Bocholt führt Klage über die Hosen-infizierten Pseudos an ihrer Penne. »Das größte Problem ist, daß vielejugendliche so sein wollen wie Ihr, da dies aber nicht möglich ist, lassen sie ihre Wut an uns oder anderen Schülern aus.«
    »Georgi« bittet die Hosen, seiner Susanne schriftlich zu erklären, daß sie wieder mit ihm Zusammenkommen muß.
    Uta, 26, bietet günstige Mal- und Lackierarbeiten für unsere Büro räume und unsere Buden an; die Kopie ihres Gesellenbriefs ist beigelegt. Eine Sozialarbeiterin berichtet in ihrem Brief von einem Kerl, der in der Kneipe unsere Single »Alles aus Liebe« auflegen ließ und anschließend die verflossene Freundin mit einer Knarre niederschoß. Sie wurde nicht lebensgefährlich verletzt.
    Und immer wieder Einladungen zu Parties, irgendwo da draußen zwischen Timmendorf und Bad Tölz. Seit unseren Magical-Mystery-Tourneen reißt die Kette von Anfragen nicht ab, die uns in Partykellern Jugendheimen, Saunas oder Grillbuden in irgendwelche Hinterhalte locken wollen. Das sind wir alles selber schuld, schon klar. Ich ziehe hier auch nicht die Mein-Gott-wir-werden-aber-auch-überall-er-kannt-Nummer ab, denn eines ist sicher: Wir haben die Sache nicht vor fünfzehn Jahren angefangen, um arm, unerkannt und ungeil zu bleiben. Wir wollten reich, berühmt und sexy sein, wie es im Grunde doch jeder will. Wieviel Post, Knete und Mädels hätten fünf ziemlich verhauen aussehende, mittellose Jungs ohne abgeschlossene Berufsausbildung in einem anderen, völlig normalen Leben wohl gekriegt?
    Man kann sagen, daß wir am Anfang nicht geahnt haben, was es alles nach sich zieht, wenn man reich, berühmt und sexy sein will. Daß man aber darauf verzichtet hätte, wenn es abzusehen gewesen wäre, kann ich zumindest von dem
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