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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Autoren: Die Toten Hosen
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die Stadtmagazine in ihren Konzertankündigungen so lange auf »ZK« zusammenstrichen, bis wir entnervt aufgaben.
    Wir hatten plötzlich Promo-Fotos und Plakate, und wir hatten einen Fahrer, Kassierer, Tour-Manager und Promoter, der nur leider an seinen Kübeln keinen Takt halten konnte. Aber was macht das schon, wenn er dafür einen VW-Bus in den Fortuna-Farben kauft, auf dem der alte Schriftzug »Achtung, Turnierschweine!« noch gut zu lesen ist? Fabsi konnte nicht Schlagzeug spielen, Isi war am Bass nur mäßig, und als ich zum ersten ZK-Auftritt meinen Mund öffnete, sollte ich eigentlich gleich wieder gefeuert werden.
    Ohne daß ich davon wußte, hatte Isi nach dem Gig ein Mißtrauensvotum gegen mich eingebracht. Er sagte sinngemäß: »Mit dem als Sänger wird es nichts!« Ich bekam zuletzt noch einmal eine Fristverlängerung für ein weiteres Konzert. Das war bei einem riesigen Punk-Festival in Düsseldorf, und diesmal drehte sich die Sache um 180 Grad. Wir räumten richtig ab, auch ich war ziemlich überzeugend. Daran hatte wie-derjohn gedreht. Er fuhr mit uns nach diesem ersten Auftritt eines Nachmittags in eine Bäckerei, bestellte für alle Kaffee und Kuchen und nahm uns dann schonungslos auseinander. Speziell mir hat er lang und breit auseinandergesetzt, wie ein Sänger auf die Bühne zu kommen hat.
    Ich war damals so voller Punk, daß ich keine Helden sehen wollte - und auch keine markieren. Ich wollte mich nicht umziehen, bevor ich auf die Bühne kam. Ich sagte: »Wir gehen da rauf, als wenn wir zur Arbeit gehen!« Oft blieb ich vor der Bühne stehen, weil ich mit den Zuschauern auf einer Ebene sein wollte - was zur Folge hatte, daß mich keiner wahrnehmen konnte.John erklärte mir, warum das völlig daneben ist. »Wenn die Leute wirklich mal Eintritt für euch zahlen, wollen die was Besonderes sehen. Die wollen nicht sehen, wie du wirklich bist, sondern die wollen eine Show. Du mußt versuchen, die Leute zu faszinieren, sie nicht zu langweilen. Alle, die professionell sind, überlegen, was sie da veranstalten und wie sie dafür angezogen sind. Nur du Idiot überläßt das dem Zufall. Das Publikum will unterhalten werden!«
    Das war hart. Die Kröte, die ich schlucken mußte, war eine desillusionierende Erkenntnis: Sobald du irgendwo auf einer Bühne stehst, bist du - gewollt oder nicht - Teil einer Inszenierung. Du bewegst dich im selben Terrain wie David Bowie oder Siegfried & Roy, auch wenn dein Dreh so läuft, daß du »ich selbst« verkörpern willst - was immer das überhaupt ist! Dein Dreh ist nur anders. Aber es ist ein Dreh, weil es gar nicht anders geht. In dem Moment, wo du da oben stehst, wirst du »transformiert«. Das heißt nicht, daß alle deine Moleküle plötzlich andersrum drehen oder deine Zellen irgendwie ihre Plätze tauschen, aber - es fühlt sich ziemlich genau so an!
    Hätten Isi und die anderen mich damals gekippt, hätte ich aber keine Gelegenheit mehr gehabt, das alles umzusetzen. Diese Show-Einlagen mit ZK, wo ich mich als »Der große Magier« ausrufen ließ und einen Zauberkasten mit tausend Sachen drin auf die Bühne schleppte, die wir dann ins Publikum warfen - das alles wäre sonst nicht gelaufen. Ich hätte auch nicht den Mumm aufgebracht, es noch einmal woanders zu versuchen. Das heißt: ich wäre niemals Hose, nie Campino geworden, der angeblich »geborene Frontman«, der Ich-weiß-nicht-was.
    »Der grosse Campino« ... In meiner Wohnung in Flingern prangt ein dicker Panzerschloß-Riegel breit und häßlich quer über der gesamten Eingangstür. Den hat mein Vorgänger angebracht, aber ich hätte ihn entfernen können. Unten auf dem Klingelschild steht ein falscher Name. In unseren Fan-post-Ordnern sind auch ein paar Morddrohungen und Verwünschungen abgeheftet. Die Armee der Glatzköpfe rasselte mit ihren Säbeln, als wir Ende 1992 mit dem Stück »Sascha« dem stolzen jungen Deutschen ein Denkmal setzten, der gegen Ausländer und Asylanten Sturm läuft. Meine Eltern haben bis zum Prozeß um das Lied entsprechende Anrufe erhalten; ich habe ihnen damals gesagt, sie sollten sofort auf-legen, falls ihnen was komisch vorkommt. Nachts um drei stehen ein paar Fans vor meiner Tür, um mich zu sprechen, aber ich bin hackevoll und müde.
    Ist es schön, das deutsche Aushängeschild des Punk zu sein? Ein paar O-Töne gefällig?
    »Na Dreckspack, heute schon das Volk verhetzt? Krepiert an Euren Parolen! Wir werden auch euch erwischen! Wenn nicht heute, dann morgen!« (Anonyme
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