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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter
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Zimmer. Sie war jetzt nicht ansprechbar. Für die nächsten Stunden würde sie ganz zwischen ihren Linien und Farben verschwinden. Bestimmt war sie die einzige Geschenkpapier-Designerin der Welt, die ihre Entwürfe noch mit der Hand zeichnete. Bisher hatte sie abgelehnt, mit dem Computer zu arbeiten – obwohl ihre Auftraggeber darüber murrten. Schließlich mussten sie Mamas Originalentwürfeerst einscannen, bevor sie mit der Massenproduktion des Papiers beginnen konnten.
    Als ich am Abend im Bett lag, kam mir die Neue wieder in den Sinn. Blöde Ziege, dachte ich und schlug das Heft mit den englischen Vokabeln auf.

Zweites Kapitel
    G leich am nächsten Tag erlebten wir, was es bedeutete, ein Mädchen wie Linda in der Klasse zu haben. Mitten in der Deutschstunde haute sie Pia eine runter, bloß weil die sie, bestimmt unabsichtlich, mit dem Ellbogen angestoßen hatte. Pia kann ein bisschen Karate und schlug zurück. Als wir die beiden auseinander zu bringen versuchten, erwischte mich Linda mit der Faust am linken Auge. Es schwoll sofort zu.
    Nachdem wir die Mädchen endlich getrennt hatten, brachte Herr Metzger Pia und Linda zum Rektor. Linda kam grinsend zurück, Pia heulte. Bestimmt fühlte sie sich ungerecht behandelt. Ich mochte Pia nicht. Aber in diesem Fall konnte ich sie verstehen. Immerhin hatte Linda angefangen. Eindeutig.
    »Die werden sich noch umbringen«, flüsterte mir Paul zu. Paul sitzt seit dem ersten Tag im Gymnasium neben mir. Ich lasse ihn in Mathe abschreiben, er mich in Englisch und Geschichte. Das nenne man Arbeitsteilung, sagt meine Oma. Sie hat früher eine Firma geleitet, dieSonnenschirme herstellt, und kennt sich bestens in solchen Dingen aus.
    »Mir doch egal«, flüsterte ich zurück und tippte auf mein geschwollenes Auge. »Die haben beide ’ne Macke!«
    Am Ende der zweiten großen Pause kam es zum nächsten Zwischenfall. Wir waren schon vom Schulhof zurück, da baute sich Lennart vor Linda auf und tat so, als ob er Gitarre spiele. Dabei wackelte er mit den Hüften und grölte: »Hey, Linda louhu; hey, Linda louhu!«
    Lennart ist groß wie Obelix und fast so stark, niemand von uns würde sich mit ihm anlegen. Deshalb beobachteten wir gespannt, wie Linda reagierte. Die beschäftigte sich mit ihrem Federmäppchen, es sah aus, als beachtete sie Lennart gar nicht. Aber dann schleuderte sie plötzlich einen dicken Bleistift in seine Richtung. Lennart duckte sich geschickt weg und der Stift flog wie ein Pfeil durchs Klassenzimmer.
    Es gibt Tage, da sollte man nicht aufstehen. Da sollte man in seinem warmen Bett bleiben, sich die Decke über den Kopf ziehen und die Stunden bis Mitternacht zählen. Dieser zweite Tag des neuen Schuljahrs war so einer. Denn zu wem flog der verdammte Stift? Natürlich zu mir! Bevor ich ausweichen konnte, traf er mich an der Nase. Es tat nicht einmal besonders weh. Aber sofort bildete sich auf der Tischplatte vor mir eine rote Pfütze.
    Während Paul zum Hausmeister rannte, um einen nassen Waschlappen und Verbandszeug zu holen, blieb Linda auf ihrem Platz sitzen, schaute gelangweilt ausdem Fenster und drehte mal wieder an ihrem Pferdeschwanz.
    »Wir holen den Metzger«, schlug Lennart vor. »Die Tussi gehört doch in den Zoo! Die hätte dich umbringen können, Mann!«
    »Lass mal«, stöhnte ich. »Alles halb so wild.« Keine Ahnung, warum ich das sagte, echt nicht. Jedenfalls war es meinem Großmut zu verdanken, dass Linda an diesem Morgen um einen zweiten Besuch beim Rektor herumkam.
    Auf dem Weg nach Hause lief sie hinter mir her. Ich hatte nicht die geringste Lust, mit ihr zu reden, und begann zu rennen. Doch sie ließ sich nicht abschütteln, ihre Kondition schien mindestens so gut zu sein wie meine. »Entschuldigung«, keuchte sie, als sie mich eingeholt hatte. »War keine Absicht.«
    »Du tickst doch nicht ganz sauber«, knurrte ich nur. Und das meinte ich auch so. Im rechten Nasenloch hatte sich ein dicker Blutpfropf gebildet. Durch mein zugeschwollenes Auge sah ich außer einem schmalen Streifen Licht gar nichts mehr. Wenn ich Pech hatte, würde ich bis zu meinem Lebensende eine Augenklappe tragen müssen.
    Die nächsten Minuten liefen wir schweigend nebeneinanderher. Ein paar Mal schaute Linda mich an, sagte aber nichts. Irgendwann verabschiedete sie sich und verschwand in einer Unterführung.
    Zu Hause schickten sie mich gleich nach dem Mittagessen zum Augenarzt. Der konnte mich nach kurzer Untersuchungberuhigen: Lindas Faust hatte nur eine dicke
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