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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
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Meisner.
    Kern sah sich unwillkürlich um.
    » Der Mann auch? Wo?«, fragte er, nachdem er keine Anzeichen dafür erkennen konnte, dass sich noch eine weitere Leiche in der kleinen Wohnung befand.
    » Nicht hier«, wiegelte Meisner ab. » Er hatte eine eigene Wohnung. In Hellersdorf.«
    » Hat sie was mit seinem Tod zu tun?«, fragte Kern unsicher und deutete dabei auf die Leiche der jungen Frau, die nun von den Assistenten des Rechtsmediziners mitsamt der Schlinge um ihren Hals losgeschnitten und in einen schwarzen Kunststoffsarg gelegt wurde. Meisner nickte.
    » Sie hat ihn wahrscheinlich vergiftet, wir haben das Zeug in ihrer Handtasche gefunden. Danach muss sie hergefahren sein und sich selbst gerichtet haben.«
    » Was ist mit dem Kind?«, wollte Kern dann wissen. Meisner antwortete zunächst nicht. Er machte nur eine kleine Geste in Richtung Kinderzimmer.
    » Die Kleine ist noch keine zwei Jahre alt«, sagte er dann. » Ich verstehe das nicht. Warum erhängt sich eine Mutter, während nebenan ihre Tochter liegt?«
    Kern warf einen kurzen Blick in das Kinderzimmer, in dem eine Kollegin der Schutzpolizei das Mädchen bis zum Eintreffen des Krankenwagens zu beruhigen versuchte. Der Rechtsmediziner Dr. Adrian Homann, der die erste Leichenschau am Fundort vorgenommen hatte, wollte sich zunächst vergewissern, dass das Kind keine Anzeichen von Unterernährung oder Unterkühlung zeigte, bevor er es schließlich zur Beobachtung in die Kinderklinik eingewiesen hatte. Kern trat vorsichtig an seine Kollegin heran und strich der Kleinen sanft mit dem Zeigefinger über die Stirn.
    Was musst du heute durchgemacht haben?
    » Hat sie noch Verwandte?«, fragte er leise, als wolle er verhindern, dass das Mädchen es hören konnte.
    » Wir sind dran«, gab Meisner zur Antwort. Erst als er den besorgten Blick seines Freundes bemerkte, fügte er seiner dienstlichen Antwort noch eine persönliche hinzu: » Sie wird in gute Hände kommen. Es gibt viele gute Pflegefamilien.«
    » Wer kann einem Kind schon die Mutter ersetzen?«, flüsterte Kern und berührte sanft die kleinen Finger des Mädchens, die es gerade in seine Richtung ausgestreckt hatte.
    Während Ertels Leiche aus der Wohnung getragen wurde, deutete Meisner dem Rechtsmediziner an, dass er noch einmal kurz mit ihm sprechen wolle. Unterdessen wandte sich Kern wieder von dem Kind ab und ließ seine Blicke erneut prüfend durch den Raum schweifen, in dem sich das Drama abgespielt hatte.
    An den Wänden hingen Poster aus den Neunzigerjahren, auf denen fliegende Einhörner, traurige Clowns und Regenbögen abgebildet waren. Die Bilder waren nicht gerahmt, nur mit Klebestreifen an die abgenutzte Raufasertapete geklebt. Das Sofa war mit einem Tigerfellmuster bezogen, und auf dem gekachelten Couchtisch lagen neben diversen Fernbedienungen halb volle russische Zigarettenschachteln und abgegriffene Rätselzeitschriften. Zudem stand ein überfüllter Aschenbecher darauf.
    Nicht gerade ein Palast.
    Als Meisner mit Dr. Homann zu sprechen begann, wandte auch Kern sich den beiden zu.
    » Das hätte kaum schlimmer laufen können«, begann Homann, während er Kern mit einem Nicken grüßte. » Wegen der niedrigen Decke ist sie keine zehn Zentimeter tief in die Schlinge gefallen. Da ist alles schiefgegangen.«
    » Also kein Genickbruch«, schlussfolgerte Kern und schüttelte betreten den Kopf.
    » Dafür müsste der Knoten der Schlinge vorn oder seitlich liegen«, erklärte Homann. » Ihrer lag aber im Nacken, da geht es nur beim Long Drop schnell. Wenn man so um die fünfzig Zentimeter tief fällt. Alle Blutgefäße, die zum Gehirn laufen, verschließen sich, und das Opfer wird sofort bewusstlos. Geht ruckzuck und ist schmerzlos. Wenn man sich allerdings zu vorsichtig in den Strick sinken lässt, dann erstickt man ganz langsam. Mit allem, was dazugehört: Einblutung in die Augen, Lungenüberblähung und Strangfurche am Hals.«
    » Hast du Kampfspuren gefunden?«, fragte Meisner.
    » Nein. Ich muss sie natürlich noch auf dem Tisch sehen, aber ehrlich gesagt, wenn sie an den Händen und Armen schon keine hat, dann finde ich woanders auch keine mehr. Sie hat sich anscheinend wirklich aus eigenem Entschluss erhängt.«
    Kern bemerkte, dass Meisner sich damit nicht zufriedengeben wollte.
    » Adrian, bist du absolut sicher?«, hakte er in einem Tonfall nach, der dem Arzt zweifelsfrei zu verstehen gab, dass er Bedenken gegen die Selbstmordtheorie hatte. Homann wusste, dass Meisner sich nur ungern
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