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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
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schließlich, und Boesherz entgegnete so charmant, dass sie lächeln musste: » Lass uns einfach noch eine Weile hierbleiben. Zusammen packen wir das schon.«

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    » Ich glaube nicht, dass wir das Korrektorat weiterführen werden. Eigentlich war es ja schon lange überflüssig«, stellte der Redaktionsleiter fest, nachdem er mit Jan Bittrich die Strategie abgesprochen hatte, mit der das Fadenkreuz auf die Verwicklung seiner eigenen Mitarbeiter in die Mordserie reagieren würde, die ganz Deutschland in Atem gehalten hatte.
    » Die arme Sonja! Ich glaube, sie war eine sehr nette Frau. Auch wenn sie von ihrem Job keine Ahnung hatte. Nur diesen Drexler konnte ich irgendwie nie so richtig leiden. Immerhin, der war wenigstens ein Profi! Wer wird uns wohl in Zukunft erklären, was der Unterschied zwischen Platzangst und Klaustrophobie ist?«, antwortete Bittrich, griff den Stapel mit seiner persönlichen Post und verabschiedete sich dann aus dem Büro seines Vorgesetzten mit den Worten: » Wir werden die Geschichte im ganz großen Stil nachbereiten. Die Schöne, das Biest und der liebe Bittrich, der alles aufgeklärt hat. Daraus machen wir eine ganze Serie, am besten über ein paar Wochen. Ich freue mich schon auf die Verkaufszahlen!«
    In seinem eigenen Büro angekommen, warf der Ressortleiter zunächst den Stapel mit seiner Post auf den überfüllten Schreibtisch, bevor er seine unzähligen E-Mails abrief und parallel dazu überprüfte, wie viele Anrufe in seiner Abwesenheit auf der Mailbox eingegangen waren. Als Nächstes würde er mit seinen Reportern telefonieren, die fast sämtlich auf der Jagd nach interessanten Informationen über Anselm Drexler waren, bevor er sich daranmachen würde, seine eigenen Erlebnisse der vergangenen Nacht zu einem populistischen Essay über die Strukturen des LKA Berlin in Krisensituationen zu verarbeiten.
    Bittrich hatte gerade seine Beine auf den Schreibtisch gelegt und gedankenlos in einen seiner Vollkornkekse gebissen, als ihm beiläufig die Handschrift auffiel, die auf dem Umschlag eines besonders großen Briefkuverts in seiner Post zu erkennen war. Die Schrift war gestochen scharf, geradezu bemerkenswert geradlinig und, was ungewöhnlich war, mit Tinte auf das Papier gebracht worden.
    » Drexler?«, wunderte sich Bittrich, dem die außerordentliche Handschrift bekannt vorkam.
    Sofort setzte er sich wieder aufrecht hin, griff den Umschlag zwischen seinen zahllosen Briefen hervor und öffnete ihn hastig.
    » Das ist nicht dein Ernst, Anselm!«, entfuhr es dem Ressortleiter unkontrolliert, als er sah, was Drexler ihm offenbar noch am Tag seines Todes zugeschickt hatte.
    Bittrich schlug das schwere Album auf und überflog hastig den ersten Vers, in dem Anselm sowohl über sich selbst gerichtet als auch dem Leser einen Leitfaden für das richtige Verhalten eines braven Knaben avisiert hatte. Auf den anschließenden Seiten folgten dann die weiteren sieben Verse, die mit den jeweiligen Doubletten von Anselms Polaroidfotos der Opfer illustriert waren. Insgesamt handelte es sich um eine exakte handgefertigte Kopie des grausamen Kinderbuchs, das Drexler in den vergangenen Tagen auf furchtbare Weise geschaffen hatte.
    Anselm, du verdammter …, ging es Bittrich durch den Kopf, als ihm auffiel, dass sich in dem Umschlag noch etwas anderes befand.
    Er zog den ebenfalls handgeschriebenen Zettel hervor und las, was darauf geschrieben stand. Kaum hörbar formten seine Lippen die Worte nach.
    » Sehr geehrter Herr Bittrich, aufgrund persönlicher Probleme musste ich meine Pläne leider ändern. Anstelle von Dr. Linda Bartholy, die sich durch ihr jüngstes Verhalten leider für diese hohe Aufgabe disqualifiziert hat, scheinen Sie mir der nunmehr am besten Geeignete dafür zu sein, die Botschaft, die ich geschaffen habe, in die Welt zu tragen. Wie dies am besten zu bewerkstelligen ist, werde ich Ihnen nicht erklären müssen. Ich weiß, dass ich mich mit Ihnen für den Richtigen entschieden habe. Leben Sie wohl! Ergebenst, Ihr Anselm Drexler.«
    Und noch ein weiterer Zettel lag dem Umschlag bei. Bittrich musste nur das erste Wort lesen.
    » Testament.«
    Anselm hatte dem Journalisten sämtliche Urheberrechte an dem von ihm geschaffenen Werk vermacht, hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Opfer hatte er auf dessen Erfahrung im Umgang mit derlei presserechtlichen Problemen verwiesen.
    » Ich soll diesen kranken Scheiß also für dich verbreiten?«, flüsterte Bittrich, dessen Puls
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