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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein
Autoren: Vincent Kliesch
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mit den Ergebnissen der ersten Leichenschau zufriedengab.
    » Einen Menschen gegen seinen Willen zu erhängen ist so gut wie unmöglich«, erklärte er daher. » Er würde wie verrückt um sein Leben kämpfen und dabei enorme Kräfte aufwenden. Er würde treten, um sich schlagen, sich fallen lassen, schreien, toben, spucken, kratzen. Ohne Abwehrverletzungen und Kampfspuren läuft das nicht ab. Mal ganz zu schweigen von den Nachbarn, die das alles mitbekommen müssten.«
    » Und wenn sie was im Blut hatte? Drogen vielleicht?«, hakte jetzt auch Kern nach.
    » Klar, prüfe ich noch. Aber wenn sie so auf Droge gewesen wäre, dass man sie ohne Gegenwehr einfach hätte aufhängen können, dann müsste es Spuren davon geben, dass jemand sie gehoben und gestützt hat.«
    Weder Kern noch Meisner konnten den Argumenten des Mediziners etwas Schlüssiges entgegensetzen.
    » Danke, Adrian. Wir sprechen dann, wenn du sie genau gesehen hast. Und ihren Mann.«
    Homann verabschiedete sich und folgte seinen Kollegen, die den Sarg mittlerweile zum Leichenwagen gebracht hatten.
    Kern sah seinen Freund kritisch an.
    » Okay, jetzt mal Schluss damit«, begann er. » Das ist eine tragische Geschichte. Eine Mutter hat ihren Mann ermordet und sich danach erhängt.«
    » Es spricht wirklich alles dafür«, bestätigte Meisner.
    » Und warum«, fuhr Kern fort, » bin ich dann hier?«
    Julius Kern galt unter seinen Kollegen als einer der besten Ermittler des LKA Berlin. Meisner, daran konnte kein Zweifel bestehen, hätte ihn niemals wegen eines tragischen Familiendramas in einem sozialen Problembezirk zurate gezogen. Und er hätte niemals leichtfertig die Einschätzung seines langjährigen Kollegen von der Rechtsmedizin infrage gestellt.
    » Also gut, kommen wir zum Punkt«, setzte Meisner daher an. » Wir haben nicht nur das Gift bei ihr gefunden. Da war noch was. Und ich verspreche dir, es wird dich interessieren.«
    Meisner griff in die Innentasche seines Mantels und zog eine Plastiktüte hervor, die vom Erkennungsdienst mit einer Nummer versehen worden war. Kern erkannte, dass sich ein Zettel und ein Briefumschlag darin befanden.
    » Also?«, fragte er mit ruhiger Konzentration.
    Ohne eine Miene zu verziehen, reichte Meisner ihm den Beutel. Kern atmete noch einmal tief durch, bevor er ihn herumdrehte und las, was auf dem Zettel geschrieben stand. Nachdem er die Botschaft gesehen hatte, hob er den Kopf und ließ den Blick erneut im Raum umherschweifen. Der Geruch von Fäkalien, Bier und kaltem Zigarettenrauch stand in der Luft, während das Kind unaufhörlich weiterschrie und weinte, als könne es fühlen, welches Drama sich in dieser Wohnung abgespielt hatte. Noch einmal las er die Botschaft auf dem Zettel und wandte sich dann mit gerunzelter Stirn an seinen Kollegen.
    » Du hast recht«, bestätigte Kern. » Diese Geschichte interessiert mich.«
    Meisner wandte seinen Blick keine Sekunde lang von Kern ab.
    » Dann bist du im Team«, sagte er kurz und sachlich.
    » Sehr gut«, erhielt er zur Antwort. » Diese Stadt hat so viele Irre, da brauchen wir den hier nicht auch noch.«
    Weiterer Worte bedurfte es nicht. Während das Kind im Nebenraum einen kurzen Augenblick lang zu weinen aufgehört hatte, betrachtete Kern den abgeschnittenen Strick, an dem die Frau an diesem Tag den Tod gefunden hatte. Ohne es selbst zu bemerken, wiederholte er flüsternd, was er gelesen hatte:
    » In drei Tagen wirst Du Deinen Mann vergiftet und Dich selbst erhängt haben.«
    Dann setzte das Weinen wieder ein.
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