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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Ravensburger
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antwortete ich. »Ich dachte, wir wären in Äquatornähe.«
    Er ignorierte mein Gefasel und sagte: »Ich wohne nicht weit von hier.«
    »Schön für dich.« Ich ging ein paar Schritte weiter.
    »Wenn du willst«, sagte er leise, »kannst du mitkommen.«
    »Wie bitte?« Ich drehte mich um. »Spinnst du jetzt total oder was? Was soll ich denn bei dir zu Hause?«
    Er ging weiter. »Ich hab nur so den Eindruck, du wüsstest vielleicht nicht, wohin.«
    Mein erster Impuls war fortzulaufen. Dann aber folgte ich ihm zögernd. »Wie kommst du denn darauf? Ich glaub, es hackt!« Dann etwas kleinlauter: »Und selbst wenn? Was würden deine Eltern wohl sagen, wenn ich plötzlich auf der Matte stünde? – Vergiss es!« Ich versuchte mir vorzustellen, wie meine Eltern umgekehrt reagiert hätten, aber meine Fantasie reichte dazu nicht aus.
    »Meine Mutter ist gar nicht da«, sagte er. »Nun komm schon!« Dann ging er einfach los und ich trabte wie ein Schaf hinter ihm her. Was hätte ich sonst machen sollen?

3
    »Seid ihr denn total bescheuert?!« Der Boss überschlägt sich fast vor Wut. »Wenn die Bullen schon vorher alles drangesetzt haben, uns zu krallen, dann könnt ihr verdammten Vollidioten euch vielleicht in euren beknackten Spatzenhirnen vorstellen, was jetzt bei denen abgeht!«
    Nach dem Anruf hat es keine Viertelstunde gedauert, bis der Boss in der Lagerhalle aufgekreuzt ist. Die vier Mitglieder der Gruppe sitzen vor ihm auf umgedrehten Kisten und machen Gesichter wie ertappte Schulkinder. Fast scheint es, dass sie ein schlechtes Gewissen haben, weil der Boss enttäuscht ist, und nicht, weil ein Mensch tot ist.
    »Aber …«, wagt Adrian die Stimme zu erheben und wird sofort niedergebrüllt.
    »Schnauze! Ich will nichts hören, verdammter Esel!«
    Drohend baut sich der Boss vor Adrian auf. Das wirkt fast lächerlich, weil der im Sitzen beinahe schon so groß ist wie der Boss im Stehen. Muskelbepackt sind sie beide. Vor allem dem Boss sieht man die vielen Trainingsstunden im Fitnessstudio selbst durch die Jacke hindurch noch an.
    »Ich weiß genau, was du sagen willst«, zischt er, plötzlich gefährlich leise geworden. »Du willst mir erzählen, dass schließlich nicht du zugeschlagen hast, sondern diese kleine Ratte hier. Richtig?«
    Während des Redens ist er zu dem Jüngsten getreten und hat ihn an einem Ohr in die Höhe gezogen. Obwohl es furchtbar wehtun muss, verzieht der Junge noch nicht mal das Gesicht. Es scheint, als begreife er überhaupt nicht, was sich abspielt. Und erst recht nicht, was vorhin in der Tankstelle passiert ist. Was ihm passiert ist.
    »So ist es doch aber«, bringt Adrian hilflos hervor. Der Auftritt vom Boss gefällt ihm überhaupt nicht. Er untergräbt seine eigene Autorität und seine Würde. Das macht ihn wütend und handlungsunfähig. Aber es ängstigt ihn auch und dieses Gefühl ist am stärksten.
    »Und wer, du verdammter Schwachsinniger, wer hat diese Gruppe zusammengestellt?«, zischt der Boss ihn an. Den Kleinen lässt er auf den harten Steinboden plumpsen wie einen Sack Kartoffeln. »Wer hat mir versichert, dass dies hier genau die richtigen Leute für die Tankstellenjobs sind? Hä, wer?«
    Betreten blickt Adrian vor sich auf den Boden. Der Jüngste setzt sich auf. Sein Ohr ist feuerrot, aber er scheint keinen Schmerz zu spüren. Niemand bringt ein Wort hervor.
    »Los!«, fordert der Boss. »Ich will eine Antwort. Wer hat zu mir gesagt, dass er mit seinem Leben dafür bürgt, dass diese Penner hier die einzig Richtigen sind? Hab ich das etwa zu mir selbst gesagt?«
    »Ich hab es gesagt«, flüstert Adrian fast. »Und ich hab es ganz ernst gemeint. Ich weiß nicht, was heute mit ihm los war. Er ist sonst total zuverlässig.«
    »Er wird aus deinem Team gestrichen.« Der Boss ist kompromisslos. »Wir schicken ihn nach Hamburg. Ihr anderen macht ein paar Tage Pause. Dann schick ich dir jemand Neues.«
    Keiner sagt etwas. Alle starren ihn an, halb neugierig, halb desinteressiert. »Bei den Klauern ist einer, der nach Höherem strebt«, erklärt er zynisch. »Auch so ein verdammter schwachsinniger Zwerg.«
    Im Gesicht des Vierten zuckt es, die anderen sehen es nicht.
    Ein Kleiner pro Einsatzgruppe ist dem Boss wichtig. Jederzeit kann es vorkommen, dass jemand durch eine enge Fensterluke klettern muss. Natürlich sind die Zwerge beliebig austauschbar. »Du kennst ihn übrigens schon«, sagt er zu dem Vierten. »Du hast ihn eingewiesen.«
    »Das geht nicht«, antwortet dieser schnell,
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