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Bis einer stirbt

Bis einer stirbt

Titel: Bis einer stirbt
Autoren: Ravensburger
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mir sehr gefiel. Es gab nur einen einzigen Grund, aus dem ich es mir nie im Leben gekauft hätte: Es wäre viel zu teuer gewesen. Die Situation war mir genau von dem Moment an peinlich, in dem Nils die Lampe neben dem Sofa anknipste. Das Nachthemd war ziemlich sexy.
    Ich holte die Decke, unter der ich gelegen hatte, und setzte mich damit auf einen Sessel. Nils lag auf dem Rücken, verschränkte die Arme unterm Kopf und starrte an die Decke.
    »Ist das nicht völlig irre?«, sagte er. »Bei einem popligen Tankstellenüberfall jemanden zu erschlagen? Wegen der paar Kröten!?«
    »Allerdings.«
    »Der Täter war angeblich noch ziemlich jung.«
    »Wurde er gefasst?«
    »Nein. Aber es gibt einen Zeugen. Den Tankwart.«
    »Ich weiß nicht, wie man damit weiterleben kann, wenn man so was gemacht hat.«
    Nils wechselte das Thema. »Warum kannst du nicht schlafen?«
    »Egal.« Nach einer Pause setzte ich hinzu: »Bei uns zu Hause geht alles den Bach runter.«
    Wir schwiegen eine Weile, dann sagte Nils: »Meine Mutter hat nur ihre Arbeit im Kopf. Das hat schon meinen Vater in die Flucht geschlagen. Und nach diesem Mord wird es nicht besser werden.«
    Ich war selbst überrascht, aber plötzlich hatte ich Lust, mich zu ihm aufs Sofa zu setzen. Aber ich blieb, wo ich war. Es war jetzt so still, dass ich mich atmen hörte.
    Dann kam jemand in die Wohnung. Erschrocken fuhr ich zusammen. Das Licht ging an und eine große blonde Frau stand im Raum. Sie sah gut aus, wenn auch total müde. Obwohl sie Jeans und eine Männerlederjacke anhatte, wirkte sie kein bisschen maskulin. Sie hatte eine Brötchentüte in der Hand und sah mich überrascht an. Dann lächelte sie, ohne mich irgendwas zu fragen.
    »Guten Morgen«, sagte sie stattdessen und schwenkte die Tüte. »Wie wär’s? Ich nehme an, ihr habt noch nicht gefrühstückt?«
    Die Gelassenheit von Nils’ Mutter angesichts meiner unerwarteten Anwesenheit blieb. Sie fragte mich weder, wer ich war, noch was ich hier machte, sondern kommentierte nur ironisch mein hübsches Outfit. Das irritierte mich. Es war mitten in der Nacht. Eine Fremde saß mit ihrem Sohn in ihrem Wohnzimmer und hatte ihr Nachthemd an.
    Sie ging einfach zu Nils und küsste ihn auf die Wange.
    »Guten Morgen, mein Schatz. Frühstück gefällig?«
    Von seiner Seite aus fiel die Begrüßung eher frostig aus.
    »Du vielleicht?«, reichte er die Frühstücksfrage an mich weiter.
    Ich nickte. Nils stellte mich so knapp wie möglich seiner Mutter vor.
    »Klara, eine Freundin.«
    Ich hätte es ja nie zugegeben, aber das letzte Wort ging mir runter wie Öl. Langsam wurde es peinlich.
    »Hallo Klara«, sagte sie. »Ich bin Marlena. Sagen wir du? Ist praktischer.«
    Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten, verschwand sie in der Küche.
    »Seid ihr in Sachen Überfall schon weitergekommen?«, fragte Nils, als wir am Küchentisch frühstückten. Meine Müdigkeit war mittlerweile verflogen. Ich trank Kaffee und aß mein zweites Brötchen.
    »Nicht wirklich«, sagte Marlena nachdenklich.
    Ich schätzte sie auf Mitte vierzig, also ungefähr so alt wie meine Mutter. Obwohl auch sie Fältchen um die Augen hatte, wirkte sie aber viel jünger. Wahrscheinlich kommt so was auch von innen.
    »Die Täter waren wieder maskiert. Es gibt zwar ein Video, aber viel erkennen kann man darauf nicht. Aber natürlich wird es noch weiter ausgewertet.« Sie schenkte sich Kaffee nach und trank ihn schwarz. »Sicher wissen wir nur, dass es wieder vier Täter waren«, sagte sie. »Wahrscheinlich auch diesmal Jugendliche. Neu ist, dass offenbar ein Mädchen dabei war. Dafür gab es bei den bisherigen Überfällen keine Anhaltspunkte.«
    »War aber dieselbe Gang, oder?« Nils verstand sich darauf, eine Frage zu stellen, ohne im Geringsten interessiert zu wirken. »Auf jeden Fall«, sagte Marlena. »Dieselbe Art, den Raum zu stürmen, dieselbe Personenzahl, Baseballschläger als Waffen, wieder ein Freitag, fast dieselbe Uhrzeit. Mit Sicherheit alles kein Zufall.«
    »Aber vorher haben sie noch nie jemanden verletzt«, meinte Nils. »Wieso diesmal? Ist irgendwas Ungewöhnliches passiert?«
    »Es war ein Kunde im Raum«, erklärte sie. »Dem ist die Brieftasche auf den Boden gefallen. Als einer der Täter sich danach bückte, hat der Kunde ihm mit der Faust auf den Kopf geschlagen, wenn auch nicht besonders hart. Aber das hat gereicht, um einen anderen zum Angriff mit seinem Baseballschläger zu provozieren. Wahrscheinlich den jüngsten, auf jeden Fall aber den
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