Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen
Autoren: Jefferson Bass
Vom Netzwerk:
wo die meisten begraben sind. Bis dann, Doc. Lassen Sie sich mal wieder blicken.«
    Zwei Minuten sp ä ter klingelte mein Telefon. » Bill? Ich bin’s, Art.«
    » Art Bohanan, der Geheimnisvolle? «
    » Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wer will das wissen? «
    » Niemand, wenn ich so recht ü berlege «, sagte ich. » H ä ttest du Zeit f ü r eine rasche Beratung in Sachen Fingerabdr ü cke? «
    » Ich bin gewisserma ß en abgelenkt, aber ein paar Minuten k ö nnte ich mich schon frei machen. Hast du, wie gew ö hnlich, etwas wirklich Gruseliges? «
    » Mir w ü rde doch nicht im Traum einfallen, dich mit etwas Geringerem zu behelligen.«
    » Hast du was zu schreiben? « Ich suchte auf meinem vollgestopften Schreibtisch herum und fand schlie ß lich einen Bleistiftstummel. » Sozusagen. Warum? «
    » 2035 Broadway. Komm rein.«
    » Warum? Wo bist du ü berhaupt? Was machst du da? «
    » Dar ü ber kann ich jetzt nicht reden. Oh, hast du in deinem B ü ro zuf ä llig einen Ghettoblaster? «
    Ich h ä tte das Ger ä t nicht als Ghettoblaster bezeichnet – es war immer auf NPR Knoxville eingestellt, die klassische Musik spielten, und die Lautst ä rke war so leise, dass sie fast unterschwellig zu nennen war –, doch ich bejahte.
    » Bring ihn mit.«
    » Wozu? «
    Doch Art hatte ohne ein weiteres Wort der Erkl ä rung bereits aufgelegt.
    Zum zweiten Mal bei zwei Telefongespr ä chen starrte ich begriffsstutzig auf den H ö rer in meiner Hand. Dann legte ich ebenfalls auf. Mein » Ghettoblaster « stand auf einem Aktenschrank direkt neben der B ü rot ü r. Das Kabel, eingeh ü llt von Staub und Spinnweben, verschwand hinter dem Schrank, der dicht an der Wand stand, oder jedenfalls dicht auf dem Stecker. Ich schob beide H ä nde hinter den Aktenschrank und ruckte daran. Er r ü hrte sich nicht von der Stelle; viele Jahre und viele Kilo Papier hatten sich darin angesammelt, seit ich das Radio eingesteckt und den Schrank wieder an die Wand geschoben hatte.
    Ich fasste um, ü berkreuzte die Handgelenke, wodurch sich die Kraft, die ich mit jedem Arm einsetzen konnte, besser zu verteilen schien. Dann hievte ich den linken Fu ß etwa h ü fthoch an den T ü rrahmen, wo meine H ä nde den Aktenschrank umfassten, und versuchte, das Bein durchzudr ü cken. Mit einem Ä chzen, bei dem mir die Z ä hne summten, schrammte der Schrank rund f ü nfzehn Zentimeter vor. Triumphierend griff ich in den soeben geschaffenen Spalt, zog den Stecker raus und holte dann das Kabel und meinen Arm hervor, der nun ebenfalls mit Spinnweben und Staub bedeckt war. » Ich hoffe, der Aufwand lohnt sich, Art «, murmelte ich.

3
    Vor hundert Jahren war der Broadway eine von Knoxvilles gro ß artigen Prachtstra ß en gewesen, ges ä umt von eleganten viktorianischen Villen auf gro ß en, schattigen Grundst ü cken. Inzwischen war er jedoch ziemlich heruntergekommen, besonders in der Gegend um die Adresse, die Art mir genannt hatte. Aus der Innenstadt in Richtung Norden fahrend, kam ich an zwei Obdachlosenheimen vorbei. Die Heime ö ffneten ihre T ü ren zur Nacht nicht vor f ü nf Uhr, und ihre Klientel streifte den gr öß ten Teil des Tages auf dem Broadway herum; einige vertrieben sich den Tag auch auf nahe gelegenen Friedh ö fen oder hielten dort ein Nickerchen. Von der Verwahrlosung des Broadway abgepuffert durch einen oder zwei Blocks mit Mietsh ä usern hatten in den letzten zwei Jahrzehnten einige Stra ß en in der Nachbarschaft ein Comeback erlebt. Diese Inseln der Verspie ß erung – pastellfarbene H ä user mit strahlend-wei ß en Zierleisten im Zuckerb ä ckerstil – waren ergreifende Mahner daran, wie reizend Old North Knoxville einst gewesen war, bevor die I-40 ihm eine breite Schneise mitten durchs Herz geschlagen hatte und der Broadway selbst zur Durchfahrtsstra ß e mit Schnapsl ä den und Pfandh ä usern verkommen war.
    Ich hatte Probleme, die Adresse zu finden, zu der Art mich zitiert hatte. » Verdammt «, schimpfte ich bei mir, » warum befestigen die Leute keine Hausnummern mehr an ihren H ä usern? « Ich fuhr an der Abzweigung zum St. Mary’s Hospital vorbei – wo w ä hrend eines Schneesturms, einst, vor vielen Jahrzehnten, bevor die globale Erw ä rmung eingesetzt hatte, mein Sohn Jeff geboren worden war – und entdeckte an einer der wenigen ü brig gebliebenen Villen auf dem Broadway schlie ß lich eine Hausnummer. Dort residierte jetzt ein Beerdigungsinstitut, das uns schon eine erkleckliche Zahl von lieben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher