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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß
Autoren: Gerbrand Bakker
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jetzt mal wegen deiner Zukunft …«, fing Kees an.
    »Mensch, Kees, jetzt machst du es schon wieder!«, rief Klaas.
    »Was mache ich?«
    »Du bist nicht taktvoll. Letztes Mal hast du Harald wortwörtlich nachgeplappert, und jetzt plapperst du Gerard wortwörtlich nach.«
    »Aber ich muss doch irgendwas sagen?«
    »Das hast du beim letzten Mal auch gesagt.«
    »Mir fiel gerade nichts anderes ein.«
    »Ja, das glaub ich dir gerne.«
    »Hat Gerard euch beauftragt?«, fragte Gerson. »Sollt ihr mich auf das Gespräch vorbereiten, das wir führen werden, wenn wir wieder zu Hause sind?«
    »Mja«, sagte Kees unglücklich.
    »Wir finden das nicht nötig«, sagte Klaas. »Bloß ist Kees ab und zu so ein Trottel. Dann rutschen ihm – weil er ja unbedingt irgendwas sagen muss – die blödesten Sachen raus.«
    »Jetzt mach mal halblang«, sagte Kees.
    »Ist schon gut«, sagte Gerson. »Ihr könnt ja auch nichts dafür.«
    Danach war es still.
    »Aber was willst du?«, fragte Klaas. »Was hast du vor? Was willst du werden?«
    »Was ich werden will? Das hast du mich noch nie gefragt.«
    »Nein.« Klaas sagte einen Moment nichts mehr. »Aber es kommt mir plötzlich wichtig vor.«
    »Weil ich blind bin?«
    »Du verstehst schon.«
    »Ich werde nichts.«
    »Nichts?«
    »Ich habe gestern Abend doch schon gesagt, dass ich nicht mehr von hier weggehe.«
    »Ich würde auch gerne für immer hierbleiben«, sagte Kees, »aber das geht nicht.«
    »Natürlich geht das.«
    »Wie meinst du?«
    »Ist schon gut.«
    »Wenn du zu Gerard sagst, du möchtest, dass wir uns weiterhin um dich kümmern, dann machen wir das«, sagte Klaas. »Nächsten Monat werden wir siebzehn, und dann kann uns, glaube ich, niemand mehr zwingen, zur Schule zu gehen.«
    »Ist schon gut«, sagte Gerson wieder.
    Plötzlich fing Kees an zu schluchzen.
    »Was hast du?«, fragte Gerson.
    »Ich musste an Daan denken«, sagte Kees. »Dass wir ihn einfach so in den See geschmissen haben.«
    » Ich habe ihn in den See geschmissen«, sagte Gerson.
    »Ja«, sagte Kees.
    Daan hatte seinen Namen gehört. Er stand auf und trottete in aller Seelenruhe auf uns zu. Er hielt sich von Gerson fern.
    »Ist das ein Vogel oder Anna?«, fragte Gerson.
    Wir lauschten. Es war Anna. Es war Essenszeit.

    An diesem Nachmittag, am Nachmittag des 10. August, fand Kees den perfekten Stock für Gerson. Gerson lag in diesem Moment im Bett. Das Schwimmen und die Hitze hatten ihn müde gemacht. Es kann auch sein, dass wir mit unseren guten Absichten und unserem Dreingerede ihn müde gemacht hatten. Wir streunten durch den kleinen Wald hinter dem Haus von Jan und Anna. Kees fand einen frischen Ast. Einen Ast, an dem noch die Rinde war. Den restlichen Nachmittag bearbeitete er den Ast mit seinem Taschenmesser. Er kerbte Gersons Namen in Großbuchstaben in das Holz und schnitzte Figuren in die Rinde. Danach wollte er den Stock lackieren. Jan sagte, das habe keinen Sinn, weil das Holz unter der Rinde noch feucht war. Während des Abendessens auf der Terrasse überreichte Kees Gerson den Stock. Der wusste nicht sofort, was er damit sollte. »Was ist das?«, fragte er, während er die Finger über den Stock gleiten ließ.
    »Ein Stock«, erklärte Kees. »Ein Stock, mit dem du Dinge fühlen kannst.«
    »Wozu sind all die Löcher?«
    »Das sind keine Löcher«, sagte Kees, »das sind kleine Figuren, die habe ich mit meinem Taschenmesser in die Rinde gekerbt.«
    Gerson hatte mit den Fingern seinen eigenen Namen gefunden. »Gerson«, sagte er. »Da steht Gerson drauf.«
    »Ja«, sagte Kees.

    An diesem Abend, am Abend des 10. August, nach dem Kaffee mit Pralinen auf der Terrasse im Garten von Jan und Anna, es wird halb neun gewesen sein, sagte Gerson, dass er ein wenig spazieren gehen wollte. Mit seinem neuen Stock. Wir standen sofort auf.
    »Nein«, sagte er, »ich gehe alleine.«
    Die Wolkenwand, die mittags noch in der Ferne gestanden hatte, hing jetzt dicht über unseren Köpfen. Der Garten, die Weide und die Trauerweide waren in ein seltsam unwirkliches, orangegelbes Licht getaucht. Es war beängstigend still. Keine Eulen, keine Frösche, keine Reiher, keine Schafe. Daan war unruhig.
    »Ich drehe eine Runde um den See«, sagte Gerson.
    »Geht das denn alleine?«, fragte Anna und wandte sich eher an uns und Jan als an Gerson.
    »Natürlich«, sagte Gerson. »Wie oft bin ich nicht schon eine Runde um den See gelaufen. Und ich nehme Daan mit. Oder Daan nimmt mich mit.«
    »Na gut«, sagte Anna
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