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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß
Autoren: Gerbrand Bakker
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Gerson.
    »Du.«
    »Womit?«
    »Es sind wirklich Birnen.«
    »Birnbäume blühen weiß«, sagte Gerson.
    »Ja«, sagte Klaas. Gerard startete den Wagen wieder. Schweigend fuhren wir auf die Kreuzung zu.
    »Sind wir beinahe dort?«, fragte Gerson.
    »Ja«, sagte Gerard.

    Danach geschah etwas, was wir nie vergessen werden. Kurz bevor wir die Kreuzung erreichten, fuhr Gerard das Auto wieder an den Wegrand. Nicht, weil jemand ihn bat anzuhalten, sondern (das denken wir, wir haben Gerard nie danach gefragt) weil er nicht weiterkonnte. Als wenn die Kreuzung ein unbezwingbares Hindernis wäre und das Auto ein unwilliges Pferd.
    »Ist es hier?«, fragte Gerson.
    »Ja«, sagte Gerard tonlos.
    »Hier kam das Auto mit dem Mann von rechts.«
    »Ja.«
    »Welche Farbe hatte das Auto?«
    »Rot«, sagte Gerard. »Dunkelrot.«
    »War es eigentlich ein netter Mann?«
    »Normal. Warum fragst du das?«
    »Einfach so. Und du hast ihn nicht kommen sehen?«
    »Nein.«
    Daan, der wie immer bei Gerson auf dem Schoß saß, bellte.
    »Ja, du hast ihn ins Hosenbein gebissen«, sagte Gerson. »Ich wüsste nur zu gerne, warum.«
    Danach war es eine Weile still. Gerard lehnte ein wenig vornübergebeugt mit den Ellbogen auf dem Lenkrad. Er starrte auf die Kreuzung, ohne etwas zu sehen. Wir schauten beide nach rechts. Kees rieb sich den Arm. Wir sahen einen langen, schnurgeraden Weg, genau so einen wie den Weg, auf dem wir standen. Wenn der Mann ein wenig langsamer gefahren wäre, wenn er unterwegs hätte bremsen müssen, weil eine Ente den Weg überquerte, wenn er etwas später von zu Hause weggefahren wäre. Wenn, wenn, wenn …
    Und dann geschah es. Gerson hob den linken Arm undlegte seine Hand auf Gerards Schulter. »Du konntest nichts dafür«, sagte er leise. Er ließ seine Hand noch einen Moment liegen und streichelte danach Daan über den Kopf. Ganz langsam richtete Gerard sich hinter dem Steuer auf. Er sagte nichts. Das einzige Geräusch im Auto machte Daan, der mit heraushängender Zunge hechelte. Gerard drehte den Zündschlüssel im Schloss und räusperte sich. Bevor er Gas gab, schaute er nach links und nach rechts. Wir fuhren über die Kreuzung, das Hindernis war überwunden.

    Kurz bevor wir ins Haus von Anna und Jan gehen wollten, hielt Gerard uns zurück. Uns, das sind wir, Klaas und Kees. Gerson ging schon mal vor, über den mit gelben Klinkern gepflasterten Pfad, der sich durch Jans wilden Blumengarten wand. Einen Pfad, den er kannte. Daan sprang aufgeregt um ihn herum. Gerard wollte uns noch was sagen.
    »Sprecht mit Gerson über seine Zukunft«, sagte Gerard. »Ich habe mit ihm abgesprochen, dass wir uns alle zusammensetzen, wenn ihr nächste Woche wieder zu Hause seid.«
    »Was sollen wir denn sagen?«, fragte Kees. Genau dieselbe idiotische Frage, die er Harald gestellt hatte, als Gerson im Koma lag.
    Gerard gab mehr oder weniger dieselbe Antwort wie Harald. »Alles Mögliche, denkt euch was aus. Aber macht ihm vor allem klar, dass ihr nicht seine Babysitter seid. Er muss alleine zurechtkommen.«
    »Ich passe gerne auf ihn auf«, sagte Kees.
    »Natürlich, Kees, aber das geht nicht. Ihr müsst bald auch wieder zur Schule.«
    »Ich will nicht mehr zur Schule«, sagte Klaas.
    »Was ist das für ein Unsinn? Du bist doch kein kleines Kind?«
    »Ich bleibe lieber zu Hause, um für Gerson zu sorgen, wenn das nötig ist«, sagte Klaas.
    »Das geht nicht, Klaas. Alles geht weiter, wir leben weiter, ich, ihr, und auch Gerson. Er muss lernen, auf eigenen Beinen zu stehen.«
    »Er hat nicht mal einen Stock«, sagte Kees.
    »Genau«, sagte Gerard. »Macht diese Woche einen Stock für ihn und schont ihn nicht.« Er war kurz still. »Das können wir vielleicht am besten Jan überlassen. Der kann das gut.«
    »Was gibt’s denn da zu tuscheln?«, rief Anna im Türrahmen. »Los, kommt rein.«

    So fing unsere Woche an. Mit einem Auftrag. Aber wir hatten nicht die Zeit, den Auftrag auszuführen. Opa hatte nicht die Zeit, streng zu Gerson zu sein, und Oma konnte ihn nicht mit Plätzchen vollstopfen. Denn es gab keine Tage mehr zum Abzählen, es gab jetzt nur noch Stunden.

Weglaufen
    Wenn neben dem Haus von Jan und Anna ein Hügel gelegen hätte, wäre es ein Haus aus einem englischen Kinderbuch mit altmodischen Bildern gewesen. Ein kleines Haus am Waldrand gegenüber einer kleinen Weide und einem See – mit einem Strohdach, einem Schornstein und wilden Blumen im Garten. Ein Haus voll Geborgenheit, in dem die Zeit stillzustehen schien, sicher
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