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Birnbaeume bluehen weiß

Birnbaeume bluehen weiß

Titel: Birnbaeume bluehen weiß
Autoren: Gerbrand Bakker
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gebärdeten sich die Frösche wie wild. Aus dem Wohnzimmer unten klang Musik und ab und zu die Stimmen von Anna und Jan. Nur ihre Stimmen, wir konnten nicht verstehen, was sie sagten. Daan lag am Fußende von Gersons Bett und schnarchte leise. Das Licht brannte. Kees lag auf dem Rücken, das dicke Buch mit den Tiergeschichten auf seiner Brust abgestützt. Gerson hatte nicht nach einer Geschichte über den Bockkäfer und die Grille gefragt, und darum las Kees drei Geschichten vor, in denen der Karpfen vorkam, sein Lieblingstier. Als er damit fertig war, klappte er das Buch zu und zog an der Schnur neben unserem Bett. Es wurde stockdunkel.
    »Ist es dunkel?«, fragte Gerson.
    »Ja«, sagten wir.
    »Sehr, sehr dunkel?«
    »Ja.«
    »Habt ihr die Augen zu?«
    »Ja«, sagten wir.
    Eine Weile hörte man nur Daans leises Schnarchen und das Gequake der Frösche.
    »Ich will hier nie wieder weg«, sagte Gerson dann.
    Wir fragten nicht, warum. Vielleicht, weil wir in diesem Moment zwischen Wachen und Schlaf waren. Vielleicht, weil wir das auch fanden, ihn verstanden.

    Es war nicht kalt. Es regnete nicht. Ein Gewitter gab es auch nicht, aber das konnte noch kommen, im August wusste man das nie. Am Morgen des 10. August saßen wir zu viert auf dem hölzernen Steg am See. Es war schwül, und die Sonne brannte auf unsere Rücken. Daan lag seitlich auf den knochentrockenen Brettern, die Pfoten so weit wie möglich von seinem warmen Körper gestreckt, die Zunge hing ihm aus dem Maul.
    »Hunde sind ziemlich dumm«, sagte Gerson.
    »Vor allem Daan«, sagte Kees.
    »Vielleicht hat er auch Angst vor dem See«, sagte Klaas.
    »Wenn er sich traut, im Meer zu schwimmen«, sagte Gerson, »traut er sich auch, im See zu schwimmen.« Er tastete mit den Händen neben sich. Er griff ins Leere, Daan lag ein wenig weiter von ihm entfernt, als er dachte. Er streckte seinen Arm aus und erwischte eine Hinterpfote. Er ließ seine Hand hinaufgleiten und fasste Daan ins Nackenfell. Er hob ihn hoch, beugte sich vor und ließ los. Daan verschwand ganz unter Wasser. Er tauchte schnell wieder auf und fing an, wild zu zappeln und zu schnaufen. »Was macht er?«, fragte Gerson.
    »Er versucht, aus dem Wasser zu kommen«, sagte Kees. »Das schafft er natürlich nicht, der Steg ist viel zu hoch.«
    Klaas legte sich bäuchlings auf den Steg und zog Daan aus dem Wasser. »Das hat dir aber gar nicht gefallen, was?«, sagte er. Daan stand triefend zwischen uns. Er schaute zu Gerson auf.
    »Er guckt genau wie damals, als wir ihm am Morgen nach der Nacht im Krankenhaus was zu fressen brachten«, sagte Klaas.
    »Wie denn?«, fragte Gerson.
    »Beleidigt«, sagte Kees. »Und ein wenig böse. Er sieht dich an.«
    »Das war nur zu deinem Besten, Daan«, sagte Gerson. »Dir war viel zu warm, ich hörte dich doch fiepen und hecheln.«
    Daan schüttelte sich und legte sich ein Stück von uns entfernt in den Schatten der Trauerweide.

    Das Plumpsen wurde kein Erfolg. Um es auszuprobieren, rannten wir selbst erst ein paarmal mit geschlossenen Augen auf das Tau zu und versuchten, es zu erwischen. Kees zog sich eine anständige Schürfwunde zu, weil er danebentrat und mit der Innenseite seines Oberschenkels am Rand des Stegs entlangschrammte. Gerson musste das Tau nehmen, ein Stück zurückgehen und dann vom Steg springen. Er kam weder hoch noch weit. Außerdem dauerte es nach seinem ersten Sprung ziemlich lange, bevor er wieder auftauchte. »Ich wusste nicht genau, wo oben und unten war«, sagte er, als wir ihn auf den Steg zogen. Das zweite Mal dauerte es noch länger. Klaas schlug vor, vielleicht besser ein Stück zu schwimmen. Gerson schwamm zwischen uns, ab und zu berührten unsere Finger seine Finger. Daan schaute uns nach, als wir davonschwammen.
    Kurze Zeit später saßen wir wieder auf dem Steg. Es wird etwa zwölf Uhr gewesen sein. Am Horizont tauchten die ersten Wolken auf. Unten flach und mit Ausstülpungen und großen Rundungen an allen anderen Seiten. Wir hatten uns nicht abgetrocknet. Gerson legte sich der Länge nach auf sein Badetuch, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Wir sahen einen dünnen roten Strich dicht unter seinen Rippen. Wir sahen mehrere Striche auf seinem rechten Arm, der vom Ellbogen bis zum Handgelenk eine seltsame Form hatte. Kurz bevor er sich hingelegt hatte, hatte er seine Sonnenbrille aufgesetzt.
    »Sind Wolken da?«, fragte Gerson.
    »Ja.«
    »So große, dicke, ganz weit weg in der Ferne?«
    »Ja.«
    Wir schauten einander an.
    »Gerson,
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