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Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Titel: Biografie eines zufälligen Wunders - Roman
Autoren: Residenz
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mussten ihre Akte schließen, das verstehe ich. Aber meine Aussage hätte ihnen kaum weitergeholfen. Ich bin ein kleiner Mensch. Meine Aufgabe besteht darin, Dinge aufzuschreiben, und nicht darin, Dinge zu sagen. Jeder hat seine Aufgabe, meinte Lena immer, jeder muss seine eigene Sache verfolgen.
    Wenn ich auf der Parkbank zwischen all den Eichhörnchen sitze und in den blauen Himmel schaue, kommt es mir manchmal vor, als könnte ich sie sehen. Als würde sie gerade irgendwo hinfliegen, um jemanden zu retten. Sie beeilt sich. Oft stelle ich mir auch vor, wie sie mit dem geretteten Bisonkalb durch die Lüfte rast. Das fühlt sich besonders gut an, vermutlich weil Tiere in Not größeres Mitgefühl auslösen als Menschen. Lena legt das Bisonkalb vor dem verdutzten Förster auf den Boden und sagt:
    »Nehmen Sie das Kälbchen, ich bitte Sie.«
    Und der Förster sagt darauf:
    »Ja, kann’s nehmen, warum nicht.«
    Und es ist ein wunderschönes Gefühl, daran zu denken.
    Lena hat mir zwei Andenken zurückgelassen: einen blauen Plastilinschwan und ein gelbes Tuch mit dunkelroten Blüten. Eines von denen, die ihre verstorbene Oma »amerikanische Tücher« nannte. Ich bewahre den Schwan und das Tuch für sie auf, denn vielleicht wird sie ihre Schätze eines Tages wieder zurückhaben wollen.
    Ich könnte noch vieles schreiben, aber in meiner Arbeit ist es sehr wichtig, rechtzeitig einen Punkt zu setzen und wieder neu zu beginnen. Ich beende es so, wie Lena es getan hätte, wenn sie nicht der Meinung gewesen wäre, dass Worte reinste Zeitverschwendung sind.
    »Solche Geschichten gibt’s. Aber es gibt natürlich noch ganz andere …«

Tanja Maljartschuk Neunprozentiger Haushaltsessig

    Aus dem Ukrainischen
von Claudia Dathe
    Eine neue, frische Stimme meldet sich lautstark aus der ukrainischen Literaturlandschaft. Leichtfüßig und im Plauderton kommen Tanja Maljartschuks Geschichten daher, beiläufig beschreiben sie große Momente, die in einer Sekunde das Leben verändern.
Ein Mann, der seine Freundin so sehr liebt, dass er sich in ihr Muttermal verwandelt, als er entdeckt, dass sie ihn betrogen hat. Ein Tierarzt, der ein fremdes Mädchen nach einem Autounfall beim Sterben begleitet und ihr doch nicht den erlösenden Satz sagt. Eine Frau, die ihren Mann und ihr Dorf verlässt, um den Tod zu suchen – und fröhlich wiederkehrt.
Tanja Maljartschuk verbindet die archaische Welt eines Dorfes außerhalb jeglicher Zeit mit den letzten Jahrzehnten und der Gegenwart der ukrainischen Geschichte zu einem eindrücklichen Panorama.
    Mit »Neunprozentiger Haushaltsessig« etabliert sie sich auf einen Schlag neben ukrainischen Autorinnen wie Oksana Sabuschko oder Natalya Snjadanko. Nur scheint ihr Blick auf die derzeitige ukrainische Gesellschaft noch genauer, noch grausamer – bei allem Humor und aller Skurrilität … Tanja Maljartschuk ist ein Name, den man sich merken sollte.
    NDR Kultur
    autor in residenz
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