Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Big U

Big U

Titel: Big U
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
aufgebrachte Bert Nix: »Aber wir dürfen keinen Augenblick mehr verlieren! Wenn wir die Big U retten wollen, müssen wir sofort damit anfangen!«
    Casimir hatte Sarahs Zimmerzuweisungskarte vom Stapel der Munition auf ihrem Schoß genommen und studierte sie wie eine wissenschaftliche Probe. Es war eine IBM-Karte, goldgelb, auf die mit gelb-orangeroter Tinte ein Formular aufgedruckt worden war. Im Zentrum der Karte konnte man eine ungenaue Illustration des Monoplex sehen, der verfallen und baufällig aussah, weil so viele rechteckige Löcher hineingestanzt worden waren. Am oberen Rand befanden sich eine Reihe von Kästchen mit winzigen, verschwommenen gelborangefarbenen Abkürzungen, die durch die rechteckigen Löcher noch mehr abgekürzt wurden. In unmittelbarer Nähe jedes Kästchens waren Zahlen und Buchstaben in schwarzer Tinte aufgedruckt.
    Draußen ließ Bert Nix nicht locker. »Und dann fielen die Feuer der Ewigkeit hernieder mit dem lauten & schallenden Klang von Trompeten, der da hallt von den Himmeln, ein mächtiger Ton, zu erwecken die Toten & das Gericht zu bringen von den vier Winden & soll in sich zusammenstürzen wie das mächtige Firmament des Himmels & der Erde und sie mit Donnerhall überziehen & ein gewaltiges Erdbeben soll werden: der Himmel soll erzittern & die Erde von ihrem Sockel gestoßen werden; die Fundamente der ewigen Berge sollen gefunden werden: Die Throne der Könige sind erschüttert, sie haben ihre Gewänder und Kronen verloren … und das ist Poesie! Nicht das Katzengeschrei der Unweisen!«
    Schließlich sah Casimir erleichtert drein. »Ja, ich dachte mir, daß es das sein könnte. Du hast diese Zahl hier gelesen, richtig?« Er stand auf, stellte sich neben Sarah und zeigte auf die Nummer ihres vorübergehenden Zimmers.
    »Na klar«, sagte Sarah, die sich mit einem Mal gräßlich fühlte.
    »Tja«, sagte Casimir mit einem apologetischen Unterton, »das ist aber nicht die richtige. Dein Zimmer wird nicht durch eine Zimmernummer identifiziert, weil sich einige Zimmer wiederholen. Er wird durch die Türnummer kenntlich gemacht, die für jede Tür einmalig ist. Diese Zahl, die du gelesen hast, ist keine von beiden, das ist die ID-Nummer deines Zimmers, die mit der Datenverarbeitung zu tun hat. Diese ID-Nummer bezieht sich auf deine tatsächliche Türnummer, die unzutreffenderweise Zimmernummer genannt wird. Das sind die mittleren sechs Zahlen dieser Zeichenkette hier. Siehst du?« Er umschloß die Zeichenkette mit den schmutzigen, verkehrten Klammern seiner Fingernägel. »In deinem Fall haben wir E12S, was Turm, Etage und Flügel angibt, und dann 49, deine tatsächliche Zimmernummer.«
    Sarah wußte nicht, ob sie schreien, sich entschuldigen oder tot umfallen sollte. Sie verstaute ihre Formulare in ihrem Rucksack und stand auf. »Danke für Ihre Mühe, Mrs. Santucci«, sagte sie hastig. »Danke«, sagte sie zu Casimir, dann wirbelte sie herum und ging zur Tür, aber nicht schnell genug, daß sie nicht noch das vernichtende Hmmpf von Mrs. Santucci gehört hätte. Doch als sie auf den Flur trat, der nur spärlich beleuchtet war, um Nebenkosten zu sparen, sah sie aus dem Augenwinkel eine zerlumpte, finstere Gestalt. Sie drehte sich um und sah, wie Bert Nix den Türrahmen umklammerte und sich herumschwang, bis er in das Büro hinein lehnte.
    »Hören Sie, Genevieve«, sagte er, »sie hat mit Ihrem Phlegma nichts zu schaffen! Sie ist Vorsitzende! Sie ist meine Freundin! Sie sind nichts weiter als ein Türstopper!« So gern Sarah sich den Rest der Unterhaltung angehört hätte, sie hatte einfach nicht die Energie dafür.
    Casimir blieb im Inneren, und sein letzter Blick auf Sarah wurde durch die schwankende Gestalt eines Irren vereitelt, und er stand mitten in einem Kreuzfeuer, mit dem er nichts zu tun haben wollte.
    »Ich rufe die Wachen«, sagte Mrs. Santucci, die zum ersten Mal Unbehagen erkennen ließ.
    »Heute?« Bert Nix hielt das für einen lustigen Einfall. »Sie glauben, Sie können heute eine Wache bekommen?« »Sie sollten besser nicht mehr herkommen, sonst werden wir zu verhindern wissen, daß Sie wiederkommen.« Er riß die rotumrandeten Augen voll spöttischer Hochachtung auf. »Ooh«, seufzte er, »das wäre ja schrecklich. Dann hätte mein Leben keinen Sinn mehr.« Er richtete sich auf, kam herein und kletterte von der Armlehne von Casimirs Stuhl auf die breite Fensterbank aus Schiefer. Unter dem Blick von Mrs. Santucci, der vermutlich mehr Entsetzen ausdrückte, als die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher