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Big U

Big U

Titel: Big U
Autoren: Neal Stephenson
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Schlange gestanden hatte, ließ man mich wissen, daß dafür die Studentenverwaltung zuständig sei. Als ich dort in der Schlange gestanden hatte, gab man mir dieses Formular und sagte mir, ich solle es von der Wohnraumverwaltung unterschreiben lassen, und genau hier …«
    Mrs. Santucci streckte die Hand mit einer Schnelligkeit aus, die nur Sekretärinnen fertigbringen, und schnappte sich das Formular. »Dieses Formular ist bereits unterschrieben«, informierte sie Sarah.
    »Richtig. Das hatte ich bis gegen ein Uhr geschafft. Aber als ich zu meinem vorübergehenden Quartier ging, stellte ich fest, daß es sich um Cafeteria und Lagerraum der B-Männer im Nordostquadranten des ersten Souterraingeschosses handelt. Dort wimmelt es die ganze Zeit von B-Männern. Sie wissen ja, wie die sind – sie sprechen kaum Englisch –, und Sie wissen ja auch, womit sie ihre Wände dekorieren« – dieser Versuch, Mrs. Santuccis Mitgefühl zu erringen, indem man sich zimperlich gab, hatte offenbar wenig Erfolg – »und ich kann dort nicht wohnen. Ich ging zur Wohnraumverwaltung zurück. Das mir zugewiesene Zimmer zu ändern ist ein vollkommen anderer Vorgang, für den ich ein Formular von Ihnen brauche, in dem steht, daß ich in diesem Semester bisher gute Leistungen gezeigt habe.«
    »Dieses Formular«, bemerkte Mrs. Santucci, »muß von allen Ihren Professoren unterschrieben werden.«
    »Ich weiß«, sagte Sarah. Alles lief genau nach Plan, und nun näherte sie sich dem Kern ihres Anliegens. »Aber das Semester hat noch nicht angefangen! Der Hälfte meiner Vorlesungen wurden noch nicht einmal Dozenten zugeteilt! Da ich aber im letzten Studienjahr bin und meine Leistungen bisher gut waren, könnte der Dekan meiner Zimmeränderung nicht ohne dieses Formular zustimmen? Ist das nicht logisch? Irgendwie?« Sarah seufzte. Am Ende hatte sie doch klein beigegeben, da Mrs. Santuccis vollkommene Gleichgültigkeit, die Arme, die wie der Hoover-Damm über dem marineblauen Busen verschränkt waren, der Blick, der den Scheinwerfern eines näherkommenden Räumfahrzeugs glich, ihr Selbstvertrauen brachen.
    »Ich bin sicher, daß das alles unnötig ist. Vielleicht wissen sie nicht, daß ihre Cafeteria anderweitig belegt wurde. Ich bin fest davon überzeugt, wenn Sie ihnen die Sachlage einfach erklären würden, wird Ihnen die Hausmeisterei gern zu Diensten sein.«
    Sarah fühlte sich besiegt. Es war ein schöner Sommer gewesen, und während ihrer Abwesenheit hatte sie ganz vergessen, wie es hier zuging. Sie hatte vergessen, daß die Leute, die hier arbeiteten, keinen blassen Schimmer davon hatten, wie die Wirklichkeit aussah, daß sie auf ihre Weise alle ebenso verrückt waren wie Bert Nix. Sie machte die Augen zu und legte den Kopf in den verkrampften Nacken, als sich der Mann auf dem Stuhl hinter ihr einmischte.
    »Augenblick mal«, sagte er rechtschaffen. Seine Stimme war hoch, vermittelte aber Überzeugung, Vernunft und Feingefühl. »Man kann nicht von ihr erwarten, daß sie das macht. Diese Typen sprechen nicht mal Englisch. Sie sprechen nur Bosnisch oder Moldawisch oder so was.«
    »Morawisch«, sagte Mrs. Santucci mit ihrer Frühwarn-system-Stimme, die angeblich in einem Radius von einer Viertelmeile Einbrecheralarme auslösen konnte.
    »Die Sprache ist Kroatobaltoslowenisch, ein moderner Dialekt des Altskythischen«, erläuterte Sarah in der Hoffnung, sie könne den Konflikt entschärfen. »Die B-Männer sind Flüchtlinge aus Kroatobaltoslowenien.«
    »Hören Sie, ich rede andauernd mit Magrow, und ich sage, es ist Morawisch.« Sarah spürte, wie ihre Körpertemperatur sank, als sie einen direkten Blick auf Mrs. Santucci riskierte.
    Sarah bemühte sich, etepetete zu klingen. »Haben Sie schon mal an die Möglichkeit gedacht, daß Sie Magrow mit Morawisch verwechseln?« Als sie Mrs. Santuccis Gesichtsausdruck sah, atmete sie hörbar ein und wandte sich ab. Als die alte Bürokratin gerade den Unterkiefer absenkte und ihre Brust sich wölbte wie das wieder aus den Flu-ten auftauchende Atlantis, beugte sich Casimir Radon ganz herüber, riß etwas aus Sarahs Schoß und sagte in einem so bestimmenden Tonfall, daß Bert Nix draußen auf dem Flur darauf reagierte: »Einen Augenblick!«
    Casimir war schmächtig und sah wie ein Tropf und Jammerlappen aus, aber in Krisensituationen war er grandios. Der verlorene Kontinent versank wieder, und Mrs. Santucci beugte sich mit einem gefährlichen Stirnrunzeln nach vorn. Draußen auf dem Flur rief der
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