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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe
Autoren: J Downham
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sein
     
     
     
     
     
    Vielleicht komm ich als jemand anderes wieder.
    Ich werde das Mädchen mit den wilden Locken sein, das Adam in seiner ersten Woche an der Uni über den Weg läuft. »Hi, bist du nicht auch in dem Gartenbauseminar?«
     
     
     
     
     
     
     
     
    »Ich bin hier, Tess. Ich bin hier bei dir und halte deine Hand. Adam ist auch da, er sitzt auf der anderen Seite vom Bett. Und Cal. Mum ist unterwegs, sie wird gleich da sein. Wir lieben dich alle, Tessa. Wir sind alle hier bei dir.«

    »Das Geräusch find ich so ätzend. Das hört sich an, als ob es ihr wehtut.«
    »Das stimmt nicht, Cal. Sie ist bewusstlos. Sie hat keine Schmerzen.«
    »Adam hat gesagt, sie kann uns hören. Wie kann sie uns hören, wenn sie bewusstlos ist?«
    »Es ist, wie wenn man schläft, nur dass sie weiß, wir sind hier. Setz dich zu mir, Cal, alles in Ordnung. Komm, setz dich auf meinen Schoß. Sie ist friedlich, mach dir keine Sorgen.«
    »Sie hört sich aber nicht friedlich an. Mehr wie ein kaputter Boiler.«
     
     
     
     
    Ich kehre mich nach innen, ihre Stimmen das Geräusch plätschernden Wassers.
     
     
    Momente im Zeitraffer.
     
     
     
     
    Flugzeuge krachen in Hochhäuser. Leichen segeln durch die Luft. U-Bahn-Züge und Busse explodieren. Radioaktive Strahlung sickert vom Bürgersteig. Die Sonne wird zu einem winzigen schwarzen Pünktchen. Die Menschheit stirbt aus, und Kakerlaken beherrschen die Welt.
     
     
     
     
    Alles könnte als Nächstes passieren.

    Götterspeise an einem Strand.
    Eine Gabel, die gegen einen Schüsselrand schlägt.
    Möwen. Wellen.
     
     
     
     
    »Es ist gut, Tessa, du kannst gehen. Wir lieben dich. Du kannst jetzt gehen.«
    »Warum sagst du das?«
    »Vielleicht braucht sie eine Erlaubnis zu sterben, Cal.«
    »Das will ich aber nicht. Meine Erlaubnis hat sie nicht.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Dann sagen wir also Ja.
    Nur noch einen Tag lang Ja zu allem.

    »Vielleicht solltest du Abschied nehmen, Cal.«
    »Nein.«
    »Vielleicht ist es wichtig.«
    »Vielleicht stirbt sie davon.«
    »Nichts, was du sagst, kann sie umbringen. Sie will wissen, dass du sie liebst.«
     
    Noch einen Moment. Nur einen noch. Einen schaffe ich noch.
    Der Wind peitscht das Einwickelpapier einer Süßigkeit den Weg lang.
     
     
     
     
     
    »Na los, Cal.«
    »Ich komm mir doof vor.«
    »Keiner von uns hört zu. Geh ganz nah ran, und flüster ihr ins Ohr.«
     
     
    Mein Name umringt einen Kreisverkehr.
    An einen Strand getriebene Tintenfischschalen.
    Ein toter Vogel auf dem Rasen.
    Millionen Maden, von der Sonne geblendet.

    »Tschüss, Tess. Du kannst bei mir spuken, wenn du willst. Das macht mir nichts.«
     
     
     
     
     
    Ein Förster hat seinem kleinen Sohn die Waidmannssprache beigebracht.
    Eine in Wasser getunkte Maus, die mit einem Löffel unten gehalten wird.
    Drei winzige Luftbläschen steigen auf, eins nach dem anderen.
     
     
     
     
     
    Sechs Schneemänner aus Watte.
    Sechs zu Origami-Lilien gefaltete Servietten.
    Sieben Steine, alle verschiedenfarbig, an einer Silberkette.
     
     
     
     
     
    In meiner Teetasse ist Sonne.
    Zoey schaut aus dem Fenster, und ich fahre aus der Stadt raus. Der Himmel wird immer dunkler.

    Adam bläst Rauch auf die Stadt unter uns. Sagt: »Da unten könnte alles Mögliche passieren, und hier oben würde man einfach nichts davon merken.«
     
     
     
     
    Adam streichelt meinen Kopf, mein Gesicht, er küsst meine Tränen.
    Wir sind selig.
     
     
     
     
     
     
     
    Lass sie alle los.

    Das Geräusch eines Vogels, der tief über den Garten hinwegfliegt. Dann nichts. Nichts. Eine Wolke zieht vorbei. Wieder nichts. Licht fällt durchs Fenster, fällt auf mich, in mich.
     
     
     
     
     
    Augenblicke.
     
     
     
     
     
     
     
     
    In diesen einen münden sie alle.

DANKSAGUNG
    Meinen Dank an meine ersten und besten Leserinnen und Leser – Megan Dunn, Brian Keaney, Anne Douglas und Nicola Williams.
     
    Für ihre Freigebigkeit mit Geist und Raum danke ich Anne McShane.
     
    Für seine scharfsichtigen Recherchen danke ich Andrew St John.
     
    Meinen Kolleginnen und Kollegen im Centerprise Literature Development Projekt danke ich für ihre beständige Unterstützung und Ermunterung: Nathalie Abi-Ezzi, Steve Cook, Sarah Lerner, Eva Lewin, Anna Owen, Stef Pixner, Jacob Ross und Spike Warwick.
     
    Und meinen Dank an Catherine Clarke für ihre Zuversicht.

Die Originalausgabe erschien 2007 unter
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