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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe
Autoren: J Downham
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er so durstig ist.
    »Nimm meine Hand. Lass mich nicht los.«
    Jedes Mal, wenn ich die Augen zumache, falle ich. Ein endlos langer Fall.

ZWEIUNDVIERZIG
    A lles ist genau so wie immer – das Licht durch die Vorhänge, entferntes Verkehrsbrummen, das Wasserrauschen im Boiler. Wie in dem Film »Und täglich grüßt das Murmeltier«, wenn mein Körper nicht matter wäre, meine Haut durchsichtiger. Ich bin weniger als gestern.
    Und Adam liegt im Gästebett.
    Ich versuche, mich aufzusetzen, bringe aber die nötige Energie nicht ganz auf. »Warum hast du da unten geschlafen?«
    Er berührt meine Hand. »Du hattest nachts Schmerzen.«
    Genau wie gestern zieht er die Vorhänge auf, stellt sich ans Fenster und schaut raus. Der Himmel hinter ihm ist blass und wässrig.
     
     
    wir haben siebenundzwanzigmal miteinander geschlafen und in zweiundsechzig Nächten das Bett geteilt und das ist eine ganze Menge Liebe
     
     
    »Frühstück?«, fragt er.
     
     
    Ich will nicht tot sein.
    Ich bin noch nicht lange genug so geliebt worden.

DREIUNDVIERZIG
    M eine Mutter lag vierzehn Stunden mit mir in den Wehen. Es war der heißeste Mai seit Menschengedenken. So heiß, dass ich in den ersten beiden Wochen meines Lebens nichts anhatte.
    »Ich hab dich immer auf meinen Bauch gelegt, und wir haben stundenlang geschlafen«, sagt sie. »Es war zu heiß, um irgendwas anderes zu tun außer schlafen.«
    Wie ein Scharadenspiel, dieses Hervorkramen von Erinnerungen.
    »Ich bin mit dir Bus gefahren, um Dad in seiner Mittagspause zu besuchen, und du hast auf meinem Schoß gesessen und die Leute angestarrt. Du hattest so einen eindringlichen Blick. Das haben alle gesagt.«
    Das Licht ist sehr hell. Es fällt in einem breiten Strahl durchs Fenster bis auf mein Bett. Ich kann meine Hand in Sonnenlicht baden, ohne mich auch nur zu bewegen.
    »Weißt du noch, als wir in Cromer waren und du hast dein Bettelarmband mit den Glücksbringern am Strand verloren?«
    Sie hat Fotos dabei und hält sie hoch, eins nach dem anderen.
    Ein grün-weißer Nachmittag, an dem wir eine Gänseblümchenkette flechten.
    Das kalkige Winterlicht im Kinderbauernhof.
    Gelbes Laub, matschige Gummistiefel und ein stolzer schwarzer Eimer.
    »Was hast du da gefangen, weißt du das noch?«

    Philippa hat gesagt, das Gehör würde mich zuletzt verlassen, aber sie hat nicht gesagt, dass ich Farben sehen würde, wenn Leute reden.
    Ganze Sätze spannen sich wie Regenbögen durchs Zimmer.
    Ich bin durcheinander. Ich sitze am Bett, und Mum stirbt an meiner statt. Ich ziehe die Decke zurück, um sie anzusehen, und sie ist nackt, eine runzlige alte Frau mit grauen Schamhaaren.
    Ich weine um einen Hund, der von einem Auto überfahren und begraben wurde. Wir hatten nie einen Hund. Das ist nicht meine Erinnerung.
    Ich bin Mum, die auf einem Pony quer durch die Stadt trabt, um Dad zu besuchen. Er wohnt in einer Sozialwohnung, und das Pony und ich fahren mit dem Aufzug in den siebten Stock. Die Ponyhufe klappern metallisch. Darüber muss ich lachen.
    Ich bin zwölf. Ich komme aus der Schule nach Hause, und Mum steht auf der Türschwelle. Sie hat ihren Mantel an und einen Koffer neben sich. Sie reicht mir einen Umschlag. »Gib das deinem Vater, wenn er nach Hause kommt.«
    Sie gibt mir einen Abschiedskuss. Ich schaue ihr nach bis zum Horizont, und oben auf dem Hügel angekommen, löst sie sich auf wie ein Rauchwölkchen.

VIERUNDVIERZIG
    D as Licht ist herzzerreißend.
     
    Dad trinkt seinen Tee in kleinen Schlucken am Bett. Ich möchte ihm sagen, dass er das Frühstücksfernsehen verpasst, aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt. Weiß nicht, wie spät es ist.
    Ein Häppchen zu essen hat er auch. Sahnekräcker mit Senfgemüsesoße und altem, reifem Cheddar. Darauf hätte ich gern Appetit. An Geschmack Interessse zu haben – Krümliges und Knuspriges zu schmecken.
    Er stellt den Teller hin, als er sieht, dass ich ihm zusehe, und nimmt meine Hand. »Wie schön du bist«, sagt er.
    Ich danke ihm dafür.
    Aber meine Lippen bewegen sich nicht, und er scheint mich nicht zu hören.
    Dann sage ich, ich hab gerade an den Korbballpfahl gedacht, den du mir gebaut hast, als ich in die Schulmannschaft kam. Weißt du noch, wie du die Maße falsch berechnet und ihn zu hoch gemacht hast? An dem hab ich so fleißig geübt, dass ich in der Schule immer zu hoch geworfen habe und wieder aus der Mannschaft rausgeflogen bin.
    Aber auch das scheint er nicht zu hören.
     
     
    Also werfe ich mich ins
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