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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe
Autoren: J Downham
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will, dass wilde Pflanzen und Blumen auf meinem Grab wachsen.
    Ich will, dass die Gedenkfeier schlicht wird. Sag Zoey, sie soll Lauren mitnehmen (wenn die dann schon geboren ist). Lade Philippa und ihren Mann Andy ein (wenn er kommen möchte), und James aus dem Krankenhaus (obwohl, der hat vielleicht zu viel zu tun).
    Niemand, der mich nicht kennt, soll etwas über mich sagen. Die Leute vom Natural Death Center werden zwar dabei sein, sollen sich aber raushalten. Ich will, dass die Menschen, die ich liebe, aufstehen und etwas über mich sagen, und wenn ihr weint, macht das nichts. Ich will, dass ihr ehrliche Sachen sagt. Sag ruhig, dass ich ein Ungeheuer war, wenn du willst, sag, wie ich euch alle rumgescheucht hab. Wenn euch irgendwas Gutes einfällt, sagt das auch! Schreibt es vorher auf, weil man offenbar häufig vergisst, was man eigentlich auf Beerdigungen sagen will.
    Lies bloß nicht dieses Gedicht von Auden vor. Das wurde zu Tode geritten (ha, ha), und es ist zu traurig. Lass jemanden das zwölfte Sonett von Shakespeare lesen.
    Musik: »Blackbird« von den Beatles. »Plainsong« von The Cure. »Live Like You Were Dying« von Tim McGraw. »All the Trees of the Field Will Clap Their Hands« von Sufjan Stevens. Vielleicht ist nicht für alle vier Zeit, aber das letzte darf auf keinen Fall fehlen. Zoey hat mir bei der Auswahl geholfen und sie hat alle auf ihrem iPod (einer mit Lautsprechern, falls du den ausleihen musst).
    Geht danach zum Mittagessen in einen Pub. Ich habe 260 £ auf meinem Sparkonto und will unbedingt, dass du es dafür ausgibst. Echt, ganz im Ernst – Lunch geht auf mich. Esst auch ja Nachtisch – klebriges Karamell, Schokotorte, Eisbecher, irgendwas, was überhaupt nicht gut für euch ist. Betrinkt euch ruhig, wenn ihr wollt (aber macht Cal keine Angst). Verprasst das ganze Geld.
    Und danach, wenn Tage ins Land gegangen sind, haltet nach mir Ausschau. Vielleicht schreibe ich in den Wasserdampf am Spiegel,
wenn ihr badet, oder spiele mit den Blättern vom Apfelbaum, wenn ihr im Garten draußen seid. Ich könnte in einen Traum schlüpfen.
    Besuch mein Grab, wenn du kannst, aber mach dir keine Vorwürfe, wenn nicht, oder wenn ihr umzieht und es dann zu weit weg ist. Im Sommer sieht es da hübsch aus (sieh es dir auf der Homepage an). Du könntest ein Picknick mitnehmen und dich zu mir setzen. Das würde mir gefallen.
    Gut. Das war’s.
    Ich liebe dich.
    Tessa XXX

ACHTUNDDREISSIG
    B estimmt werd ich in der Schule der Einzige mit’ner toten Schwester sein.«
    »Das ist doch cool. Sie werden dich ewig lange mit Hausaufgaben verschonen, und die ganzen Mädels werden auf dich fliegen.«
    Cal denkt drüber nach. »Bin ich dann immer noch ein Bruder?«
    »Natürlich.«
    »Aber du wirst es nicht mitkriegen.«
    »Na, und ob ich das mitkriegen werde.«
    »Wirst du bei mir spuken?«
    »Möchtest du das denn?«
    Er lächelt nervös. »Vielleicht macht es mir Angst.«
    »Dann lass ich’s.«
    Er kann nicht stillhalten, geht zwischen meinem Bett und dem Schrank auf und ab. Etwas hat sich verschoben zwischen uns seit dem Krankenhaus. Wir witzeln nicht mehr so leicht miteinander.
    »Schmeiß die Glotze aus dem Fenster, wenn dir danach ist, Cal. Mir ging’s danach besser.«
    »Ich will aber nicht.«
    »Dann zeig mir einen Zaubertrick.«
    Er zischt ab, um seine Ausrüstung zu holen, und kommt wieder, angetan mit seiner besonderen Jacke, der schwarzen mit den Geheimtaschen.

    »Schau ganz genau hin.«
    Er bindet zwei Seidentaschentücher an je einem Zipfel zusammen und stopft sie sich in eine Faust. Als er die Hand öffnet, einen Finger nach dem anderen, ist sie leer.
    »Wie hast du das gemacht?«
    Er schüttelt den Kopf und klopft sich mit dem Zauberstab an einen Nasenflügel. »Zauberer verraten nie ihre Geheimnisse.«
    »Mach’s nochmal.«
    Stattdessen mischt er einen Stoß Karten und legt sie aus. »Zieh eine, sieh sie dir an, sag aber nicht, welche.«
    Ich ziehe die Pik-Königin und lege sie dann zu den anderen zurück. Cal legt die Karten nochmal neu aus, diesmal mit den Farben nach oben. Aber sie ist weg.
    »Du bist richtig gut, Cal!«
    Er lässt sich auf das Bett fallen. »Nicht gut genug. Ich wünschte, ich könnt was Größeres machen, was Grusliges.«
    »Du kannst mich in der Mitte durchsägen, wenn du willst.«
    Er grinst erst, fängt aber gleich darauf zu weinen an, erst leise, dann in großen, heftigen Schluchzern. Soweit ich weiß, ist das erst das zweite Mal, dass er je in seinem Leben geweint
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