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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst
Autoren: James Preller
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schüttelte sich Sand aus den Haaren. »Wird es wieder gut zwischen uns?«
    Becka hob die Schultern und ließ sie sinken. Sie wusste es nicht und konnte es daher auch nicht sagen.
    »Es tut mir leid. Alles tut mir leid«, sagte er.
    Becka nickte und senkte den Blick. »Du hast mir wirklich wehgetan, Jude.«
    Jedes ihrer Worte landete wie ein Stein in seinem Magen. »Ich möchte es wiedergutmachen.«
    »Manchmal habe ich das Gefühl, ich habe mich in einen Fremden verliebt«, bekannte Becka. »So was will ich nicht mehr durchmachen, Jude – mit dir nicht und auch mit keinem anderen. Das hab ich nicht verdient.«
    Jude antwortete nicht. Er wusste, dass er die Kränkung nicht ungeschehen machen konnte. Genauso gut hätte er versuchen können, die Sterne oben auszulöschen oder den Autounfall zu widerrufen. Er berührte ihre schlanke Taille, schlang den Arm um ihren Rücken und drückte.
    Mit leichtem Zittern erwiderte Becka die Umarmung. »Wir werden sehen, was passiert, okay? Aber eins muss ich wissen. Ist es vorbei mit diesem Mädchen?«
    »Ja, es ist vorbei«, antwortete Jude. »Es hat gar nicht angefangen.«
    »Du hast mich lächerlich gemacht.«
    »Es ist nichts passiert«, sagte Jude.
    »Nichts?«
    Jude wandte den Blick von Becka in die Ferne. Dann wieder zu ihr. »Nichts von Bedeutung.«
    Becka strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich glaube, ich könnte dich lieben, Jude. Aber in meinem Kopf schrillen sämtliche Alarmglocken.«
    Jude verstand sie. Manche Dinge brauchten eben Zeit. Die Kränkung ließ sich nicht einfach aus der Welt schaffen. Langsam gingen sie zurück zum Auto. An der Wind schutzscheibe hing ein Zettel. Sie waren zu lang unter dem Boot geblieben. Jude stoppte hinter Becka und las das Strafmandat über ihre Schulter mit. »Das zahle ich.«
    »Verkauft.« Sie stopfte ihm das Papier in die Hosentasche.
    »Hör mal, macht es dir was aus, wenn ich bleibe?«, fragte er.
    »Hier?«
    Jude deutete mit dem Kinn zum Atlantik. »Ich möchte den Sonnenaufgang sehen.«
    »Ich muss zurück, bevor meine Eltern …«
    »Nein, schon klar. Aber ist es in Ordnung, wenn du ohne mich heimfährst?«
    »Willst du wirklich ganz allein hierbleiben? Flippen deine Eltern da nicht aus? Und wie kommst du wieder nach Hause?«
    »Ich hab mein Handy dabei.« Jude klopfte sich auf die Brusttasche. »Ich ruf sie einfach an. Ehrlich, die glauben sicher, dass ich im Bett liege und schlafe.«
    Becka blickte hinaus aufs Meer, wo am Horizont das erste weiche Licht zu erahnen war. »Ich würde gern bei dir bleiben.«
    »Vielleicht beim nächsten Mal«, sagte Jude.
    Becka biss sich auf die Lippe und nickte. »Das wäre schön, Jude.« Sie deutete nach Westen. »Schau, eine Sternschnuppe.«
    Sie beobachteten, wie sie über den Himmel schoss.
    »Kann ich mir die Decke ausleihen?«, fragte Jude. »Und hast du vielleicht noch irgendwas Essbares im Auto?«
    Becka wühlte auf der Rückbank herum und stieß schließlich auf eine halb volle Tüte Nachos. »Hier hab ich was Fruchtiges für dich. Voll mit Vitamin C.«
    »Wirklich?«
    »Nein, es ist der reine Müll.« Becka lachte. »Aber schmeckt lecker.«
    Jude beugte sich vor und küsste Becka auf die Stirn.
    »Mach’s gut.« Sie kletterte in den Wagen.
    »Ich ruf dich an, okay?«
    Sein Herz bebte vor neuer Hoffnung, als er ihr nachsah. Dann zog sich Jude die Decke über die Schultern und machte sich wieder auf den Weg zum Strand.
    Entlang der Brandung wanderte er nach Osten, bis er ganz allein dastand und niemand in Sicht war bis auf ei nige Fischer, die gerade vom Parkplatz kamen. Er erin nerte sich daran, wie Lily immer im Wasser geplanscht und dabei vor Begeisterung laut und schrill gequiekt hatte. Einfach ein vierjähriges Mädchen. Er spürte, wie sich auf seinen Lippen ein Lächeln bildete.
    Jude watete bis zu den Knöcheln und dann bis zu den Knien ins Meer. Das Wasser nagte erstaunlich kalt an seiner Haut. Die Wellen hatten sich beruhigt, leicht und regelmäßig rollten sie heran. Eher ein ehrgeiziger See als das rachsüchtige Meer. Der Sturm vom Vorabend hatte sich verzogen.
    Er wusste nicht, was ihn mit Becka erwartete. Vielleicht musste er deshalb allein am Strand sein und den Sonnenaufgang sehen. Um mit sich ins Reine zu kommen, trotz allem. Manchmal war das Leben unglaublich hart, voller Autounfälle und Seelen, die in ihren gelben Kleidern wie Sterne leuchteten. So viel Leid und Elend. Jude hob einen glatten weißen Kiesel auf und wog ihn in der Hand. Dann holte er aus, um
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