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Bevor du gehst

Bevor du gehst

Titel: Bevor du gehst
Autoren: James Preller
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alter Gewohnheit heraus. Ein Witz, den er mit Corey geteilt hatte. Es war seit Wochen die erste lustige Bemerkung aus seinem Mund.
    Allerdings starrte Roberto ihn bloß verständnislos an. »Was?«
    »Mehr Kuhglocken«, wiederholte Jude. »Das ist aus Saturday Night Live . Will Ferrell, Christopher Walken. Der Sketch über ›Don’t Fear the Reaper‹ von Blue Öyster Cult. Erzähl mir nicht, du hast das nicht gesehen.« Staunend fixierte er Roberto.
    Der schüttelte den Kopf. »Ich hab keine Ahnung, was du meinst.«
    So gut er konnte, spielte Jude Christopher Walken und bellte Sprüche aus dem Sketch. »Wisst ihr was? Ich hab Fieber . Und das einzige Mittel dagegen sind … mehr Kuhglocken !!«
    Jude warf den Computer an, einen virenverseuchten IBM -Klon – inzwischen bedauerte er den großen Notebookwurf; wie blöd durfte man eigentlich sein? – und suchte den Sketch auf YouTube. »Ich kann nicht glauben, dass du das nicht kennst.« Er schüttelte den Kopf. Jude spürte, wie ein Anflug alter Begeisterung in ihm aufstieg, eine leise Annäherung an sein normales Selbst. In der nächsten Stunde führten sich die beiden Freunde witzige Lieblingsclips aus dem Netz vor und lachten sich kaputt darüber, was die Leute für dummes Zeug anstellten.
    Robertos brüllendes Gegacker war einfach ansteckend. Er kam mit einer ganzen Latte von Geschichten über das Leben in West End Two an. Abenteuer mit Kenny, trottelige Rettungschwimmer, Überraschungsinspektionen, Softballspiele und Dünenpartys nach der Arbeit. »Und jetzt halt dich fest«, sagte er. »Neulich laufe ich hinter ins Büro und erwische Kath, die gerade mit Denzel rumknutscht. Ich wusste nicht, soll ich so tun, als hätte ich nichts gemerkt, mich unsichtbar machen oder mich fürs Zugucken anstellen. Ich meine, können die nicht die Tür absperren?«
    Jude kriegte sich nicht mehr ein, als Roberto zur Illustration große Glotzaugen machte.
    »Aber das Verrückteste kommt erst noch, Jude.« Aufgeregt mit den Händen fuchtelnd beugte sich Roberto vor. »Billy Motchsweller wurde letzte Woche in der Arbeit verhaftet, weil er Ecstasy verkauft hat.«
    » Was!? «
    »Eine Szene wie im Theater, ehrlich. Irgendwie hat er die Pillen immer in die Hamburgerbrötchen gestopft – das war sein Vertriebssystem, verstehst du? Und dann hat er aus Versehen was an einen Cop verkauft, der gerade nicht im Dienst war.«
    »O mein Gott.« Jude fühlte sich ganz benommen.
    »Der sitzt so was von in der Scheiße, Mann.«
    »Na, das erklärt wohl die langen Schlangen«, meinte Jude.
    »Hab ich mir noch gar nicht überlegt.« Roberto gluckste. »Aber da könnte was dran sein. Seit der Festnahme ist der Umsatz wirklich zurückggegangen.« Nach einer Pause deutete er auf Judes Ausrüstung in der Ecke. »Ist das deine Gitarre?«
    »Anscheinend hast du keine Ahnung von Golf«, antwortete Jude mit ungerührter Miene.
    Roberto lachte. Dann zog er eine DVD aus dem Regal. »Ich fass es nicht, du hast Plan 9 from Outer Space . Diesen Film liebe ich!«
    »Der schlechteste Film aller Zeiten«, sagte Jude. »Ei gentlich hab ich ihn irgendwie von Corey geerbt. An einem Abend hat er ihn mitgebracht und …«
    Mit einem Schlag senkte sich bleierne Stille über das Zimmer und drohte die gute Stimmung der letzten Stunde zu verschlingen.
    Doch Roberto ließ sich nicht so leicht unterkriegen. »Den sollten wir uns mal anschauen. Zusammen mit ein paar Leuten. Komm schon, Jude. Das ist eine gute Idee. Corey wäre bestimmt dafür.«
    Jude schüttelte den Kopf und stellte die DVD zurück ins Fach. »Ich glaub nicht. Nicht jetzt.«
    »Dann eben wann anders.« Roberto schielte zur Treppe und wirkte auf einmal nachdenklich. »Neulich auf der Party warst du ganz schön breit.«
    »Ja, ich bin einfach …«
    Roberto beendete Judes Satz. »… mit dieser Tussi abgehauen.«
    Die Erinnerung machte Jude verlegen. Er war nicht stolz darauf.
    »Das hättest du nicht machen sollen, Jude. Vor Beckas Augen. Das war fies.«
    Jude versuchte erst gar nicht, es zu erklären. Außerdem hätte er es gar nicht erklären können, selbst wenn er gewollt hätte. Es war, wie wenn man einen Hund trat. Wie sollte man sich da rechtfertigen? Damit, dass der Hund es verdient hatte? Schließlich fragte er: »Wie geht’s ihr?«
    »Ganz gut.« Roberto zögerte kurz. »Frag nicht mich, Jude. Du hast ihre Telefonnummer.«
    »Du meinst, ich soll sie anrufen?«
    »Was weiß denn ich! Ich bin nur eine pummelige Jungfrau«, antwortete Roberto. »Ja,
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