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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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hatte.
    «Seit gestern bin ich arbeitslos», gestand ich.
    «Wollen Sie nicht bei mir arbeiten?» fragte er. «Bei der Staatsverwaltung. Nationale Arbeitsbeschaffung. Vorläufig ist es zwar nur ein Aushilfsposten, aber später sollen feste Anstellungsverhältnisse ausgearbeitet werden.»
    «Siehst du's jetzt endlich ein?» sagte Mary später daheim. «Leute wie Mr. Sheffield suchen sich ihre Angestellten nicht in Abendschulen aus. Er ist reizend und hat in Oxford studiert und spricht französisch.»
    «Hoffentlich nicht im Büro», seufzte ich in Erinnerung an meine Erfahrungen mit dem Serbo-Kroaten.
    «Du lieber Himmel, Betty», klagte Mary. «Du bist ein hoffnungsloser Fall. Du hast die Stellung noch nicht begonnen, weißt überhaupt nicht, was du zu tun haben wirst, aber schon machst du dir Gedanken, daß es vielleicht etwas ist, was du nicht kannst. Du hast eine blendende Chance. Du fängst unten bei der Leiter an und kannst bis auf die oberste Sprosse klettern.»
    Meinen ersten Tag bei der Staatsverwaltung werde ich nie vergessen. Am Montagmorgen um Viertel vor neun Uhr setzte mich Cleve mit seinem Wagen vor dem Verwaltungsgebäude ab. Es war ein angenehm frischer, heller Julimorgen, aber die Nebelhörner vom Sund waren zu hören, und das ließ auf Morgennebel und einen heißen Nachmittag schließen.
    Das Verwaltungsgebäude nahm einen ganzen Block auf der Westseite der Straße ein, und wie es so dalag, von der Morgensonne beschienen, strahlte jeder einzelne Ziegelstein Solidität und Vertrauenswürdigkeit aus.
    Ich schnipste ein Stäubchen von meinem Rock, strich meine Jacke glatt, zog meine tadellos weißen Handschuhe zurecht und kletterte zuversichtlich die Marmorstufen hinauf. Endlich schien ich bei der richtigen Stelle gelandet zu sein. Ich arbeite für die Regierung. Wie wunderbar mir dies von den Lippen gleiten würde, wenn ich um Kredit nachsuchte! Ich winkte Cleve zu, der mit elegantem Schwung zur Straßenmitte einschwenkte, obwohl die Uhr des Benzintanks schon während der ganzen Fahrt auf Null gezeigt hatte.
    Im Inneren des Gebäudes war es kühl wie an einer Quelle. In der mit Marmor ausgelegten Vorhalle herrschte eine freundliche, angenehme Atmosphäre, sehr verschieden von der Stimmung, die einen des Morgens beim Arbeitsantritt in anderen Geschäftshäusern zu empfangen pflegte, wo die Männer mürrisch und nervös auf ihre Uhren blickend, mit den Schlüsseln in der Tasche klirrend, blinzelnd und rastlos von einem Fuß auf den anderen tretend vor den Fahrstühlen warteten, um in ihre Büros zu kommen und eine Arbeit in Angriff zu nehmen, die ihnen aus tiefster Seele verhaßt war.
    Leute, die für die Regierungsverwaltung arbeiteten, trugen eine angenehm ausgeglichene Haltung zur Schau. «Mir läuft nichts weg», schienen sie zu denken. «Was für ein herrlicher Tag», sagten sie zueinander. «Wie wunderbar die Bergspitzen aus dem Nebel aufsteigen.» «Wann gehst du in die Ferien, Joe?»
    Einige Leute musterten mich freundlich, begriffen, daß ich ein Neuling war und lächelten mir zu. Ich lächelte zurück und fühlte mich willkommen geheißen.
    Ich erkundigte mich beim Fahrstuhlführer, der Bill hieß, nach Mr. Sheffields Büro. Bill grinste und erwiderte: «Achter Stock. Arbeiten Sie bei Mr. Sheffield? Das ist nett. Wir haben keinen einzigen Rotkopf hier, und an kalten Wintertagen geht so was Erwärmendes von rotem Haar aus.»
    «Hoffentlich bin ich im Winter noch hier», meinte ich.
    «Nur keine Angst», sagte Bill. «Hier kann jeder bleiben, das ist ja die Staatsverwaltung.»
    An der Türe zu Mr. Sheffields Büro stand: «Büro für In- und Auslandshandel» geschrieben, aber darunter war ein Schild angebracht mit der Aufschrift: Nationale Arbeitsbeschaffung. Ich öffnete die Türe und betrat einen Raum, der einer Briefsortierungshalle in einem größeren Postamt glich. Überall standen volle Postsäcke und verwirrte neu eingetretene Angestellte herum.
    Unsicher blieb ich bei der Türe stehen. Die Fenster des Zimmers boten einen herrlichen Ausblick auf Berge und Inseln, die aus Nebelschwaden aufstiegen und wie an den Himmel gemalte Bilder wirkten. Ich sah mich noch um, als ein großes, dunkelhaariges Mädchen auf mich zutrat, sich als Miss Mellor vorstellte, mir zeigte, wo ich meinen Hut aufhängen konnte, und mich dann bat, ihr zu folgen. Sie führte mich in ein Nebenzimmer, das Mr. Sheffields Privatbüro zu sein schien. Mr. Sheffield, ein schlanker, nervöser Mann, telefonierte gerade mit
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