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Betty kann alles

Titel: Betty kann alles
Autoren: Betty McDonald
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einen wundervollen Schlitten kaufte.
    Als Mary von der Schule heimkam, war ich auf dem Hügel hinter unserem Haus. Von einem erhöht gelegenen Schuppen ging es ziemlich steil hinunter bis zu einem knapp hinter dem Haus gelegenen kleinen Vorplatz. Mit rotumränderten Augen und noch immer schnüffelnd glitt ich auf meinem neuen Schlitten unsere private Rodelbahn hinunter. Ich berichtete Mary natürlich brühwarm, daß meine Lehrerin uns keine Salamibücher geben wollte, und Mary war so empört darüber, daß sie schnurstracks in die Schule laufen, die Pulte verschmieren und Kleister in die Tintenfässer gießen wollte; zu ihrer Erleichterung beschwor ich sie aber, von dieser Protestkundgebung Abstand zu nehmen. Zur Belohnung versuchte sie, die alte Frage des perpetuum mobile zu lösen, was mich sämtliche Vorderzähne kostete.
    Der Hügel hinter unserem Haus war ein herrlicher Platz zum Rodeln, und bis Mary ihre großartige Idee hatte, vergnügten wir uns damit, mit dem neuen Schlitten den Hügel hinaufzuklettern, dann hinunterzuschlitteln, daraufhin wieder hinaufzukraxeln, abermals hinunterzusausen und so fort. Doch plötzlich, als wir gerade wieder am Fuß des Hügels angekommen waren, hatte Mary ihre Eingebung. Sie lief in den Keller, und als sie wieder zum Vorschein kam, hielt sie die Kleiderstange in beiden Händen.
    «Ich habe eine fabelhafte Idee, Betsy», verkündete sie. «Oben auf dem Hügel setzen wir uns beide auf den Schlitten, und ich halte die Stange ausgestreckt vor uns.» Die Stange war ungefähr zweieinhalb Meter lang. «Wenn wir runtergesaust kommen, prallt die Stangenspitze gegen das Haus, und der Stoß schiebt uns rückwärts den Hügel wieder hinauf. Auf diese Weise können wir Sitzenbleiben und die ganze Zeit hinauf- und hinuntersausen, immer wieder, ohne absteigen und klettern zu müssen.»
    Es hörte sich wirklich wie ein blendender Plan an, und als wir wieder oben bei dem Schuppen standen, setzte ich mich auf den Schlitten, stemmte die Füße gegen die Steuerhebel, und Mary setzte sich hinter mich und hob die Stange, die wir beide lang vor uns ausgestreckt hielten, in genauer Höhe meines Mundes. Dann kommandierte Mary «Los!» und stieß uns mit den Füßen ab, und wir glitten im Schwung den Hügel hinunter. Was nachher kam, entzieht sich meinem Bewußtsein. Ich kam bald wieder zu mir und begann Blut und Zähne auf den hartgefrorenen Schnee zu spucken, denn die Stange hatte insofern die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, als sie mit voller Wucht gegen die Hauswand geprallt war. Nur hatte der Rückschlag sie in Abweichung vom Programm in meinen Mund befördert.
    «Oh, Betsy, sei nicht böse! Es tut mir schrecklich leid», sagte Mary, und sie war so blaß, daß die Sommersprossen, die sie auch im Winter hat, wie dunkle Löcher auf der hellen Haut aussahen. Und es tat ihr wirklich leid, denn sie schenkte mir zum Trost ihr Salami-Buch. Es war nicht so schlimm mit den Zähnen, weil es doch sowieso meine ersten waren.
    Das nächste Opfer von Marys Eingebungen war mein Bruder Cleve, damals ein kräftiger kleiner Bursche von fünf Jahren mit einem roten Haarschopf und wohlbegründetem Mißtrauen gegen seine Schwester Mary und deren ebenfalls rothaarige Busenfreundin Marjorie.
    Die Sache trug sich an einem schönen Sonnabendnachmittag im Frühling zu. Wir spielten Zirkus, oder besser gesagt, Mary und Majorie spielten die Zirkusdirektoren mit Cleve, mir und unserem Hund Snooper als widerwillige Darsteller und den Kindern aus der Nachbarschaft als zahlendes Publikum. Mutter und Gammy waren zum Tee eingeladen und hatten uns mit Sarah, unserem Dienstmädchen, allein gelassen. Sarah sollte «uns im Auge behalten», aber da sie Kinder im allgemeinen und rothaarige Kinder im besonderen haßte, bügelte sie in der Küche mit dem Rücken zum Fenster, hatte die Hintertüre abgesperrt und scherte sich keinen Deut um uns. Da es ihr nur angenehm gewesen wäre, unsere leblosen Körper bereit zum Abtransport aufgereiht zu sehen, blieb sie ungerührt von den durchdringenden Schreien und dem lauten Gebrüll, das aus dem Hinterhof drang, als Cleve und ich zur Unterhaltung der versammelten Nachbarskinder, doch stets erst nach langem, eindringlichem Zureden, die Kunststücke ausführten, die Marjorie und Mary sich phantasiereich ausdachten.
    Wir waren bereits rückwärts vom Holzschopf auf einen Sandhaufen gesprungen, hatten brennende Zündhölzer in den Mund gesteckt, Rizinusöl getrunken und waren als wildverwegene
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