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Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Titel: Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
Autoren: Heidi Hohner
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»Paradies« und »Kraftort« für die Insel geworben, wenn sie mit mir im Linienbus Richtung Chiemsee fuhren, um mich an der Dampferanlegestelle zur Fraueninsel abzuliefern. Ich aber hatte nichts von »Paradies« gemerkt, dafür hatte es auf der Fraueninsel zu viele andere Kinder gegeben. Bei der Erinnerung daran zog ich automatisch meinen nicht mehr vorhandenen Bauch ein, so unsportlich und fehl am Platz hatte ich mich ihnen gegenüber immer gefühlt. Da waren Kati und Fränzi gewesen, die rot gelockten Sonnfischerzwillinge. Der schweigsame, schlaksige Basti mit dem Michel-aus-Lönneberga-Haarschopf, mit dem ich in drei Sommern ungefähr genauso viel Sätze gesprochen habe. Die unverschämt frechen Freunde Michi und Janni, die schon die gleiche Mofagangfrisur hatten, als ich noch nicht mal wusste, was eine Sportfelge ist. »Griasdi, Hippiehupferl« und »Schau, dem Obelix seine Tochter ist wieder da« waren noch ihre nettesten Kommentare gewesen, wenn ich mit meinen langen Zöpfen und der ökigen Latzhose an ihnen vorbeimusste. Nur mit Tante Caro allein hatte ich mich immer wohlgefühlt, in ihrem Haus am See mit den kühlen Steinen, an dem kleinen Badestrand. In meinem Zimmerchen oben unter dem Dach, das Tante Caro nie einem ihrer Feriengäste überlassen hatte. »Damit du immer kommen kannst, du kleines Spatzl«, hatte sie gesagt.
    Und jetzt hockte das ehemalige Hippiehupferl in Designerklamotten auf der Glasplatte eines Chefschreibtisches in der Münchner Innenstadt und hatte keine Ahnung, wie es seiner Patentante ging, weil es ihre Karten so lange unbeantwortet gelassen hatte, bis irgendwann keine mehr kamen. Und das schlechte Gewissen biss so heftig und unerwartet zu, dass ich Oliver weiter auf Abstand hielt, um der Lechner-Oma sofort zu antworten.
    »Liebe Anneliese. Habe mich sehr gefreut, von dir zu hören. Was ist genau das Problem mit Tante Caro?«
    Ich tippte noch meine Handynummer hinterher und fühlte mich erleichtert, als ich die Nachricht verschickt hatte. Mal sehen. Vielleicht hatte sich ja bereits herausgestellt, dass Tante Caro nur eine Weltreise angetreten hatte. Außerdem konnte ich mir kaum vorstellen, dass eine alte Dame abends um sieben vor dem Rechner hing.
    Janis Joplin jodelte keine zehn Sekunden später los: Null-acht-null-fünf-vier und so weiter und so weiter. Auf dem Display blinkte die Vorwahl mit einer dreistelligen Festnetznummer hintendran – die autofreie Provinz rief zurück, und zwar viel schneller als erwartet.
    »Sefferl, Gott sei Dank, endlich! Keiner hat gewusst, was aus dir geworden ist, noch nicht einmal die Emerenz! Geht’s dir gut?«, rief eine brüchige Stimme.
    Die Emerenz? Ich sah einen Haushaltskittel vor mir, grau mit lila Streublümchen drin, und einen nicht mehr ganz junger Frauenhals mit einer dicken Beule. Dieser Kropf hatte mich als Kind immer so fasziniert, dass ich mich an das Gesicht dieser Emerenz nicht erinnern konnte, an ihre sirenenhafte Stimme allerdings schon. Die Lechner-Oma hingegen war schon vor fünfzehn Jahren »Oma« genannt worden, und inzwischen klang sie auch wie eine. Ich versuchte deshalb, laut und sehr deutlich zu sprechen.
    »Bei mir läuft es super, Anneliese!«, brüllte ich und nickte Oliver sonnig zu. »Ich arbeite in einem Autohaus für gebrauchte Luxuswagen und bin gerade zur Verkaufsleitung befördert worden.«
    Aber irgendwie hing meine Erzählung in der Luft, weil die Lechner-Oma nicht reagierte. Wahrscheinlich konnte sie mit meinem Leben nicht so wahnsinnig viel anfangen. Ich fühlte mich bestätigt darin, dass die Jetztzeit auf der Fraueninsel noch lange nicht angekommen war. Die alte Dame hatte wahrscheinlich einen Horizont vom Kloster zur Kirche und wieder zurück.
    »Also, Anneliese, was ist denn jetzt genau passiert mit Tante Caro?«, fragte ich deshalb ganz ruhig nach den Fakten, und vom anderen Ende der Leitung kam ein schwerer Seufzer.
    »Ein Schlagerl hat sie getroffen, am vorletzten Freitag, und sie war im Krankenhaus in Prien! Aber sie wolltens wieder entlassen nach acht Tagen, das hats mir noch erzählt. Aber sie ist nie daheim angekommen, und ich weiß nicht, wo sie ist, und keiner sagt mir was!«
    »Frag doch mal nach, in der Klinik. Sie ist bestimmt nur in der Reha!«
    »Das sagt mir doch keiner. Ich bin doch nur ihre beste Freundin!«
    »Weißt du was, Anneliese? Ich versuche schnell, in der Klinik anzurufen. Vielleicht wissen die was. Ich melde mich gleich bei dir.«
    Ich vermied Olivers genervten Blick und
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