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Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Titel: Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
Autoren: Heidi Hohner
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angefangen zu regnen, und ich flüchte zu ihr an die Theke.
    »So ein Auto ist wie ein Rennpferd, das muss bewegt werden, sonst fängt es an zu zicken«, hatte ich Oliver vorgestern über meinen Laptop hinweg erklärt, »und außerdem fülle ich gerade dein Visum für eine Reise aus, auf die du mich erst einmal gar nicht mitnimmst. Meinst du nicht, dass das Grund genug ist, mich übers Wochenende mit deinem Porsche an den Chiemsee fahren zu lassen?«
    Der ganze Quatsch mit »muss bewegt werden« war natürlich nur ein Vorwand. Aber ich kann ja schlecht mit dem Regionalzug anreisen. Welchen Eindruck würde das machen? Sicher nicht den, dass ich es geschafft habe, die Provinz weit hinter mir zu lassen und gerade zur Verkaufsleitung von Auto König befördert worden bin.
    »Des macht zwei Euro bittschön. Kannst ruhig alles einischütten von der Bärenmarke, ich sperr jetzt eh gleich zu.«
    Mit spitzen Fingern nehme ich ein Haferl und eine angerostete Dose mit zwei bräunlich verklebten Löchern entgegen. Die Bäckerin klemmt mit einem resoluten Fußtritt einen Keil in die Tür, um die Bistrotische von draußen in den Laden zu verfrachten. Ich nippe an dem lauwarmen Kaffee, sehe ihr zu, wie sie mit einem grauen Lumpen Regentropfen von den Tischplatten abwischt, und frage, mehr damit ich überhaupt etwas sage: »Wann geht denn das nächste Schiff?«
    »Wie meinst, Schiff?«, fragt sie und stellt drei übereinandergestapelte Plastikstühle mit so viel Schwung in die Ecke, dass die Tropfen nur so spritzen. »Eini oder aussi?«
    »Na ja«, erwidere ich leicht verärgert, »was heißt eini oder aussi , ich möchte auf die Fraueninsel.«
    »Ah so. Eini also. Morgen wieder.«
    »Wie bitte? Aber es ist doch noch nicht einmal halb sieben!«, protestiere ich und gehe wieder hinaus unter die Markise. Ich meine mich genau daran zu erinnern, dass die Chiemseeschiffe bis in die Nacht hinein verkehren. »Und was ist das?«
    Ich zeige auf die Lichter eines Schiffes, das sich eindeutig auf den Dampfersteg zubewegt, aber im selben Moment fällt die nicht mehr ganz moderne Ladentür aus Messing und Rauchglas scheppernd ins Schloss, und zwei Sekunden später gehen im Laden die Lichter aus.
    WINTERPAUSE steht auf der Tafel, die mit einem Gummisaugnapf an der Scheibe festgepappt ist. Und darunter hat jemand in krakeliger Schreibschrift gekritzelt: »Ab 1. März wieder geöffnet.«
    Während das Schiff mit der Längsseite an den dicken Holzstempen entlangquietscht und zur Ruhe kommt, renne ich zur Anlegestelle, so schnell es mir Schuhe und Gepäck erlauben, und falle beinahe dem einzigen Fahrgast in die Arme, der nicht nur aussteigt, sondern auch die Landungsbrücke hinter sich auf den Steg zieht.
    »Ist das das nächste Schiff auf die Fraueninsel?«, keuche ich, während mir die kalten Regentropfen hinten in den Trenchcoatkragen rinnen.
    »Wieso, dadsd du jetzt einifahren wollen?«, fragt der Mann, der bei näherem Besehen kein Fahrgast, sondern der Uniform nach eindeutig der Kapitän ist.
    »Ja! Die Schiffe gehen doch bis um zehn, oder?«
    »Im Sommer vielleicht, aber im Winter ned. Bei mir ist jetzt Feierabend.«
    »Wieso Winter? Es ist gerade mal November!«
    Aber das hört der Chiemseeschifffahrtsangestellte schon nicht mehr, und ich sehe nur noch, wie ihm hinten an seiner schwarzen Uniformhose die Drecktropfen bis in die Kniekehle hochspritzen, als er sich eilig davonmacht. Aber weil sich ein Mädel aus der Stadt von derartigen Widrigkeiten des Alltags nicht einschüchtern lässt, beschließe ich die Lechner Anneliese anzurufen. Schließlich weiß sie, dass ich heute ankomme.
    Ich krame in meiner Laptoptasche, die mir an dem nassen Mantel permanent nach unten rutscht. Dabei merke ich, dass die Tasche offen steht und es wahrscheinlich schon die ganze Zeit munter hineingeregnet hat. Ich zerre den Reißverschluss zu, um weiteren Schaden zu verhindern, und schreie gleichzeitig »Anneliese?« ins Telefon.
    »Hallo? Anneliese?«, rufe ich noch einmal, vergeblich. Nichts, nur ein ersterbender Dreiklang. Kein Akku mehr. Und auch kein Schiff. Ich starre böse auf den See, zu den kleinen Lichtern, die sich irgendwo mitten im See abzeichnen. Das geht ja schon mal gut los. Es kann doch nicht so schwer sein, auf diese Scheißinsel zu kommen, oder? Und wie kann man nur so verrückt sein, ausgerechnet dort zu wohnen? Freiwillig?
    Das Dorf hier heißt sicher Gstadt, weil es in seinen Straßen so mücksmäuschenstaad 1 ist, dass ich mich frage, ob hier
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