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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich
Autoren: Stefan Rognall
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zu brettern, scheißegal, das musste mal gehen, und wozu hatte er diese fette Klingel, die so hübsch retro gongte?
    Dumm nur, dass die kaum jemand hörte. Schon gar nicht dieser Typ, der da gerade mit verbissenem Face vorwärtstrabte und ihn garantiert nicht sah.
    Also schrie er dem Kerl ein kräftiges » EYYYYYY !« entgegen, was aber die Kollision nicht völlig verhinderte. Was für ein Arschloch, dachte der Radfahrer, während er krampfhaft versuchte, sein Gleichgewicht zu halten. Leider näherte er sich dabei im Affentempo einem Briefkasten, dem er in letzter Sekunde ausweichen konnte, indem er auf die Straße lenkte, wo allerdings immer noch heftiger Verkehr herrschte und ein PKW direkt auf ihn zuraste.

    Die junge Frau am Steuer des Pkw hatte die Nase gestrichen voll. Seit sie losgefahren war, hatte ihr Fahrlehrer sie vom Beifahrersitz aus bloß zur Sau gemacht. Schulterblick nicht vergessen. Runter vom Gas. Blinker setzen. Verkehrsschilder beachten. Zum entspannten Fahren kam man da gar nicht. Und wie dem Typ das gefiel, sie zurechtzuweisen. Bestimmt war er sauer, dass sie nicht mehr über seine Sparwitze lachte. Oder dass sie zu den Fahrstunden jetzt immer schlabbrige Pullover anzog, weil sie sich in ihren hautengen T-Shirts unter seinen Stielaugen irgendwie nackt vorkam. Zum Glück hatte sie nächste Woche ihre Prüfung. Und die würde sie bestehen – keine Frage. Da konnte ihr Fahrlehrer noch so sehr an ihr herummeckern. Schließlich war sie stolz darauf, extrem reaktionsschnell zu sein. Damit hatte sie schon viele überrascht. Während andere noch dabei waren, über was nachzudenken, hatte sie nämlich schon längst gehandelt.
    Auch als der Radfahrer vor ihr auf die Straße schoss, reagierte die junge Frau ohne Verzögerung und riss das Steuer herum. Natürlich maulte ihr Fahrlehrer sofort wieder los, diesmal allerdings in einer vom Schock schrillen Stimme. Die junge Frau, die nicht nur von ihrer Schnelligkeit, sondern auch von ihrer außerordentlichen Gelassenheit, sogar in Krisensituationen, beeindruckt war, schrak jedoch im nächsten Augenblick selbst zusammen. Ihr Wagen schoss nämlich auf eine Frau zu, die am Straßenrand stand und zu überlegen schien, ob sie auf die andere Seite wechseln sollte.

    Lukas war nicht der Einzige, dessen Blick zur Straße ging, um die Ursache für die aufschreienden Bremsen zu ergründen. Tatsächlich waren die eben noch stetig vorbeirauschenden Autos plötzlich stehen geblieben. Auch die Passanten hatten angehalten, und für einen Moment schien sich die Welt nicht weiterzudrehen. Dann sah Lukas, wie die Ersten zur Straße drängten, um auf das Unfallopfer zu starren, das ein paar Meter vor dem Wagen mit dem Fahrschul schild auf dem Asphalt lag und sich nicht mehr rührte. Lukas hasste diese Schaulust und folgte seinem Impuls, in entgegengesetzter Richtung davon zustapfen. Ein schmatzendes Geräusch ertönte. Lukas sah an sich hinunter. Der fettige Hamburger eines kleinen Jungen glitt an Lukas’ Trenchcoat hinab und hinterließ einen schmierigen Film aus Ket chup sowie eine einsame Gurkenscheibe. Bevor Lukas sich darüber aufregen konnte, hatte die Mutter ihren Jungen bereits weitergezerrt, hin zu der Menschenmenge, die sich am Unfallort zu sammeln begann.
    »Moment!«, rief Lukas und folgte Mutter und Sohn, um seiner Empörung Luft zu machen. Unter den vielen Schaulustigen verlor Lukas die beiden jedoch aus den Augen. Stattdessen geriet er selbst im Geschiebe und Gedränge der Menschenmenge an den Straßenrand. Eine junge Frau war aus dem Fahrschulwagen gestiegen und spähte zu der Mittdreißigerin hinüber, die immer noch reglos auf der Straße lag. Nun hievte auch der Fahrlehrer seinen übergewichtigen Körper aus dem Wagen und blickte unbehaglich in Richtung Unfallopfer.
    »Wenn das jetzt meine Prüfung gewesen wäre«, fragte die Fahrschülerin ihn, »da hätte ich doch gepunktet, wegen der schnellen Reaktion, oder?«
    »Vielleicht holt mal jemand einen Krankenwagen«, rief jemand aus der Menge.
    »Gute Idee«, sagte der Fahrlehrer mit aschfahlem Gesicht und stützte sich auf der Kühlerhaube des Wagens ab.
    »Sie sehen echt nicht gut aus«, kommentierte die Fahrschülerin.
    »Die ist bestimmt tot«, sagte neben Lukas jemand und verstellte ihm den Blick auf das Opfer.
    »Gott, wie schrecklich«, fand ein anderer.
    »Warum tut denn niemand was?«, klagte eine neue Stimme.
    »Hab schon angerufen«, beruhigte ein Teenager. Dann hielt er sein Handy vor sich und
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