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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich
Autoren: Stefan Rognall
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selbstbewusst zu wirken. Außerdem widerstand er stolz dem Drang, sich durch die Haare zu fahren.
    Er fragte sich, warum es ihm überhaupt etwas ausmachte, dass diese Frau ihn scheinbar für unansehnlich hielt. Dieses Unbehagen hatte er seit Jane nicht mehr verspürt. Aber er wollte da nichts hineindeuten. Und er würde sich auch nicht vom Blick dieser Frau einschüchtern lassen. Er starrte einfach so gelassen wie möglich zurück und behielt gleichzeitig die große Uhr hinter ihr im Auge.
    Dass die Frau schließlich ihren Blick senkte, rech nete sich Lukas jedoch nicht als Sieg an. Denn wie ein Gemälde, dessen andauernde Betrachtung unerkannte Details zutage fördert, ließ auch das zu nächst bloß hübsche Gesicht dieser Frau immer mehr erkennen. Ihre dunklen Augen blickten gar nicht abweisend, sondern sorgenvoll. Trotzdem schienen sie zu unbändiger Freude fähig, was die Lachfalten an ihren Mundwinkeln bestätigten. Ihre Haut war bleich wie seine, wahrscheinlich das Ergebnis zu vieler Stunden hinter einem Computermonitor. Und die Wildheit ihres Haars passte für Lukas zu jener Unberechenbarkeit, die er aufgrund des Wechselspiels zwischen Angriffslust und Sehnsucht in ihrem Mienenspiel vermutete. Ihre Hände nestelten nervös an einem Pullover, der ihren natürlich gerundeten Körper unaufdringlich zur Geltung brachte, und fast erwartete Lukas, dass die Frau sich nun aus ihrer Erstarrung lösen würde, um seinen schamlosen Blick mit einer Ohrfeige zu bestrafen. In diesem Fall würde er sich entschuldigen und betonen, dass er sie keineswegs anflirten wollte, weil das nicht seine Art war – jedenfalls nicht mehr –, und sich dann insgeheim fragen, warum er sich trotzdem schämte. Aber dazu kam es nicht mehr, denn die Frau eilte entschlossen an ihm vorbei zur Rolltreppe, die sie aus seinem Blickfeld ins untere Stockwerk der Buchhandlung beförderte.

    » TREFFER VERSENKT !«
    Lukas blieb stehen und sah sich um. Der Bettler, der neben dem Eingang der Buchhandlung gesessen hatte, begann die um ihn herum verstreuten Münzen einzusammeln, nachdem Lukas seinen Plastikbecher umgetreten hatte.
    »’tschuldigung«, murmelte Lukas und wollte weitergehen.
    »Ja, ja, bloß nicht zu lange hingucken, mein Glück könnte ja ansteckend sein«, maulte der Bettler.
    Lukas seufzte und zog sein Portemonnaie hervor, um sich seine Ruhe mit ein wenig Kleingeld zu erkaufen. Davon hatte er jedoch bis auf ein paar Zweicentstücke nichts mehr übrig. Er verfügte nur noch über einen neuen 50 -Euro-Schein, den er vorhin aus einem Geldautomaten gezogen hatte.
    Der Bettler sah ihn erwartungsvoll an.
    »Tut mir wirklich leid«, murmelte Lukas, während er sein Portemonnaie wieder in die Tasche seines Trenchcoats steckte. Gott, warum verspürte er jetzt eigentlich so ein schlechtes Gewissen? Er hatte den Geldbecher des Mannes doch nicht absichtlich umgetreten. Und zu einer Spende war er auch nicht verpflichtet. Was war das hier – eine Fußgängermaut? Wenn sich der Kerl unbedingt so nah an den Ausgang setzen wollte, musste er damit rechnen, übersehen zu werden.
    » EYYYY !«
    Lukas sprang zur Seite, aber der Fahrradfahrer streifte ihn trotzdem. Lukas fiel auf die Knie und konnte sich gerade noch auf die Handflächen stützen, um nicht auf seiner Nase zu landen. Immerhin war er somit wieder auf Augenhöhe mit dem Bettler, der ihm vielsagend zunickte, während eine Gruppe von Jugendlichen über Lukas’ Missgeschick vergnügt kicherte. Lukas stand wieder auf und klopfte den Schmutz von seiner Kleidung. Während er sich noch fragte, wieso dieser Idiot von Fahrradfahrer mitten durch eine Fußgängerzone rasen musste, hallte ein verzweifeltes Quietschen durch die allmählich nach Frühling duftende Luft.

    Der Radfahrer hatte es eilig gehabt. Immerhin war heute die Fortsetzung von »Pimp Dwarf Overkill« erschienen, und sein bester Freund hatte ihm sofort gesimst, dass es eine noch geilere Grafik hätte und deshalb total lebensecht wäre – und überhaupt würde er den ersten Level bereits beherrschen. Der Rest des Tages war daher klar: erst noch Pizza holen und Bier, um dann monstermäßig Trolle abzuschlachten und möglichst viele Konkubinen zu sammeln, mit denen man die Söldnertruppen des bösen Herrschers Zarthan ablenken konnte. Aber klar – ausgerechnet jetzt war auf der Straße ein Wahnsinns verkehr, viel zu gefährlich für die Abkürzung, die der Radfahrer sonst nahm. Da blieb einfach nichts anderes, als voll über den Bürgersteig
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