Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine Pille gegen Mord

Keine Pille gegen Mord

Titel: Keine Pille gegen Mord
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
1
     
    Das schwarze Wrack des Model A
hing plattgedrückt auf einem rotgefleckten Felsblock. Motorteile lagen
verstreut herum, und ein abgerissener Kotflügel baumelte über die Kante ins
Wasser. Das eckige Oberteil der Karosserie, das mich an eine Hutschachtel
erinnerte, war noch ganz, aber zerbeult. Farbe blätterte ab wie geronnenes
Blut, wo das hellglänzende Metall zum Vorschein kam. Der Aufprall hatte die
Türen aufgerissen, nur eine auf meiner Seite war noch fast zu. Das Wagenheck
ragte beinahe rechtwinklig in die Luft.
    Ich mußte mir den Hals
verrenken, um zur Straße hinaufblicken zu können. Die Felswand fiel zwar nicht
senkrecht ab, aber man konnte doch ganz schön schwindlig werden. Im oberen Teil
war sie am steilsten.
    Von oben, wo der Wagen aus
einer durchaus nicht scharfen Kurve getragen worden war, an der Leitplanke entlanggeschabt
und schließlich darüber hinweg die Klippen hinabgestürzt war, hatte das
deformierte Wrack direkt traurig und mitleiderregend ausgeschaut, wie ein
kleiner Wal, welcher der Küste zu nahe gekommen war und nicht mehr in die
offene See hinausfand.
    Ich blieb neben der linken
Vordertür stehen und blickte in die klaffende Öffnung hinein, in deren unterem
Rand noch Glassplitter staken, wie abgebrochene Raubtierzähne.
    Keiner saß hinterm Steuer.
Erleichtert atmete ich auf. Dann beugte ich mich vor, und die Luft blieb mir
wieder weg.
    Eine Hand mit dicken blauen
Adern krampfte sich um den langen Griff der Handbremse. Weder der heftige
Aufprall noch der Tod hatten den Griff lösen können.
    Das weiße Haar, das die alte
Dame hinten zum Knoten gebunden hatte, war teilweise losgerissen und hing
strähnig über eine blutgetränkte Schulter. Sie trug ein purpurrotes
Baumwollkleid mit weißen Tupfen; eine Brosche mit brillantgefaßten Blümchen baumelte am zerfetzten Vorderteil.
    Sie lag auf der Seite am Boden,
gegen die Vordersitze gequetscht. Viel Platz hatte sie da nicht, weil auch der
Motorblock gegen die Sitze drückte. Eine seiner Ecken hatte ihr den halben Kopf
weggerissen, und was von ihrem Gesicht übrig war, das bedeckte getrocknetes
Blut — wie Schlamm, den ein verrückter Kosmetiker aufgetragen hatte.
    Mir reichte es. Es war Zeit,
daß ich mich wie ein pflichtbewußter Bürger benahm
und die Polizei alarmierte. Deren Sache war das schließlich. Leichen aus
Autowracks zu holen gehörte jedenfalls nicht zu meinem Beruf.
    Ich warf noch einen Blick in
den Wagen und sah, daß die Zulassungskarte an einem dünnen Lederriemen an der
Steuersäule hing. Ich hielt die Luft an, um möglichst wenig von dem Geruch im
Wrack mitzukriegen, griff hinein und riß die Plastikhülle ab. Der Name darauf
lautete Winifred Birrel.
    Und jetzt war ich neugierig.
Denn die Birrels waren die Leute, die mir geschrieben und mich gebeten hatten,
sie zu besuchen. Sie waren Klienten von uns, Erben eines
Fünf-Millionen-Dollar-Vermögens. Und als einer der Testamentsvollstrecker, so
sagte ich mir, hatte ich einen sehr triftigen Grund, die Beantwortung jener
Frage, die sich mir aufdrängte, nicht allein der Polizei zu überlassen: Wenn
Winifred ganz allein von der Straße abgekommen und heruntergestürzt war, warum
klammerte sie sich dann so verzweifelt an die Handbremse — die zuletzt gelöst
worden war?
     
    Sheriff Driscoll war ein großer
Mensch, der ständig so abgehackt und kurzangebunden sprach, als spucke er Kerne
zwischen den Zähnen aus. Er trug die Uniform eines County-Sheriffs und den
Stern, der ihn zum Gesetzeshüter von Humboldt Creek und Umgebung machte.
    Mit anderen Worten: Dieser Teil
der Küste war Driscolls Hoheitsgebiet, und wenn man seine Worte nicht strikt
als Gesetzestext ansah, dann ließ man sich auf einen Kampf ein.
    »Das ist doch ’ne ganz alberne
Idee von Ihnen, Roberts«, belehrte er mich gelangweilt.
    »Na klar«, sagte ich. »Aber
zufällig entspricht sie den Tatsachen .«
    »Ich werd’s Ihnen erklären, wie’s passiert ist .« Er wandte sein
Bulldoggengesicht mit den tiefliegenden, stechenden schwarzen Augen der Szene
tief unter uns zu, wo zwei State Troopers und eine
Rettungsmannschaft dabei waren, den Ford heraufzubefördern. Aus den
Augenwinkeln warf mir Driscoll rasch einen Blick zu, als wolle er mich bei
verbotenem Tun überraschen, aber ich tat nichts weiter, als harmlos und mit
resignierter Miene neben ihm zu stehen.
    »Ich werd’s Ihnen genau erklären, wie es passiert ist«, fuhr er fort, langsam und
beherrscht. Konnte leicht sein, daß er in diesem Ton
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher