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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich
Autoren: Stefan Rognall
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Rosanna von Lars nie erwartet, dass er ihre Welt mit Geistesblitzen erleuchtete. Und sie vermutete auch zu Recht, dass seine jetzigen Plattitüden nichts anderes waren als ein Ausdruck von Hilflosigkeit und schlechtem Gewissen. Aber Rosanna hatte etwas gebraucht, mit dem sie zurückschla gen konnte. Hätte sie bloß geschwiegen oder ihm gar zugestimmt, wäre Lars womöglich zu seinem neuen privaten Glück zurückgekehrt, ohne sich je wieder Gedanken um seine Exfrau zu machen.
    Ihr Stich in sein Ego hatte jedoch keinen weiteren Streit entfacht, sondern lediglich Lars’ schnellen Rückzug bewirkt. Mit einem finalen Nicken und einem gemurmelten »Alles Gute« hatte er das verunglückte Gespräch beendet, den Tankstutzen wieder eingehängt und war zum Bezahlen gegangen.
    An jenem Abend hatte Rosanna im Bett gelegen und gegrübelt, wie lange ihr Vorwurf der mangelnden Originalität Lars noch beschäftigen würde. Sie selbst konnte jedenfalls mehrere Stunden nicht einschlafen.

    Das Klingeln ihres Handys riss Rosanna aus ihren Gedanken. Eine Kundin, die neben ihr in einem Buch blätterte und sich offenbar in ihrer Ruhe gestört fühlte, seufzte vorwurfsvoll. Rosanna kramte aus ihrer Handtasche das Handy hervor, um den Sig nalton stumm zu schalten, doch der unbekannte Anrufer hatte ohnehin schon aufgelegt. Als Rosanna die Uhrzeit auf dem Display sah, erschrak sie. Schon vor über einer Stunde hätte sie an ihrem Arbeitsplatz erscheinen müssen. Aber es war kein Zufall, dass Rosanna getrödelt hatte und ihr auch jetzt eher danach zumute war, es sich in der Leseecke der Buchhandlung gemütlich zu machen und eine Geschichte zu finden, in der sie versinken konnte.
    Von ihrer Tätigkeit als Sachbearbeiterin für einen Versicherungskonzern hatte sie sich zwar nie Ab wechslungsreichtum, spannende Herausforderungen oder besonderen Geldsegen erträumt, dafür aber Be ständigkeit – und selbst damit war schon lange Schluss. In den letzten Jahren hatte Rosanna mehrere Entlassungswellen über sich ergehen lassen müs sen und jedes Mal an Standfestigkeit eingebüßt. Auch aufgrund der Enttäuschung durch Lars war Rosanna nicht in Stimmung gewesen, die nötigen Allianzen mit Kollegen und Vorgesetzten zu bilden, die ihr mehr Rückhalt verschafft hätten. Folglich hatte das Rudel der Vereinsmeier und bereitwilligen Ausgrenzer Rosanna langsam, aber sicher zur Gruppe der schwachen und unerwünschten Opfertiere abgeschoben.
    »Vielleicht müssen wir mal mit dem Chef ausgehen«, hatte Kira, die Kollegin, mit der Rosanna seit sechs Jahren Schreibtisch an Schreibtisch arbeitete und die ebenfalls auf der Abschussliste stand, erst kürzlich vorgeschlagen. Ihre ruhige, fast schon monotone Stimme verriet wieder einmal nicht, ob sie einen Scherz gemacht hatte. Auch ihr Gesicht, in dem sich bis auf den stets knallrot geschminkten Mund selten etwas regte, bot keinen Anhaltspunkt. Zudem ging Kira mit so vielen Männern aus, dass Rosanna ihr durchaus zutraute, es sogar mit ihrem besonders unerträglichen Vorgesetzten versuchen zu wollen.
    »Ich hab Lars getroffen«, verriet Rosanna, um das Thema zu wechseln.
    »Wen?«
    »Lars. Meinen Exmann.« Kira war Rosanna zwar in den letzten Jahren eine enge Freundin geworden, hatte aber ein Gedächtnis wie ein Computer, der bei zu viel widersprüchlicher Information abstürzte. »Wir haben uns nicht absichtlich getroffen«, erklärte Rosanna, »sondern zufällig.«
    Kira stützte das Kinn in ihre Hand und fixierte Rosanna, was für gewöhnlich bedeutete, dass sie mehr erfahren wollte.
    »Ich war total …« Rosanna überlegte.
    »Weggetreten?«, fragte Kira.
    »Schlagfertig.«
    »Und er?«
    »Arschloch, wie immer.« Rosanna seufzte. »Ich frage mich, was ich jemals in ihm gesehen habe.«
    Kira spielte nachdenklich mit ihrem langen Haar, das sie genau wie ihre Wimpern und Augenbrauen regelmäßig pechschwarz färbte, obwohl ihre natürliche hellrote Farbe Rosanna viel besser gefiel. »Deshalb sollten wir erst recht mal mit dem Chef ausgehen«, sagte Kira plötzlich. »Zwei Fliegen mit einer Klappe.«
    Rosanna musste über Kiras Neigung zu hinkenden Vergleichen lächeln. Sie hob fragend die Brauen.
    »Ich mein’s ernst«, beharrte Kira. »Wir wollen unseren Job behalten – erste Fliege. Und der Chef sieht irgendwie so aus wie dein Exmann – zweite Fliege.«
    »S o ’ n Quatsch«, empörte sich Rosanna. »Der Chef sieht überhaupt nicht aus wie –«
    »Wie wer?« ertönte hinter ihr die sonore Stimme des
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