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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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überhaupt? Luna? Wie läuft’s in der Schule?»
    «Eh gut. Bis auf diese Sache mit dem Fridolin.»
    «Was denn für eine Sache? Und welcher Fridolin?»
    «Der Fridolin aus ihrer Klasse. Der Sohn vom Kramer. Weißt eh.»
    Ich weiß eh. Der Kramer. Der heilige Kramer. Grüner Politiker, daneben im Sozialbereich tätig und im Vorstand von minimum drei weltverbessernden NGO s. Immer auf der Seite der Armen und Schwachen, der Benachteiligten, Unterprivilegierten. Immer im Kampf für das Gute, eh super. Aber natürlich hat er seine Kinder, wie alle unbestechlichen Nonkonformisten-Gutmenschen in meinem Bekanntenkreis, in einem privaten, sauteuren Elite-Gymnasium voller Diplomatensöhne und -töchter. Denn man weiß ja trotz aller Bemühungen nie. Sicher ist sicher, lieber kein Risiko eingehen, höchstwahrscheinlich fruchtet das eigene Trachten, die Welt zu einem Ort der Gleichen und gleich Privilegierten zu machen, ja leider doch nicht, und da weiß man die eigenen Kinder dann doch lieber auf der sicheren Seite. Jenny macht es auch nicht anders, schiebt die Schuld aber auf Lunas Vater, einen Philosophieprofessor, der offenbar für sein Kind nur das Beste will, während es Jenny, wie sie zumindest behauptet, wurscht wäre. Beim Kramer dagegen frage ich mich schon. Dass ich Elena gern in einer netten, kuscheligen, kleinen Privatschule hätte, gut und schön, ich bin eine Spießerin, hab nie etwas anderes behauptet, aber beim Kramer wirkt es doch ein bisschen … bigott. Adam mag ihn nicht, aus genau diesen Gründen. Er hat da ein sehr feines Sensorium. Wir lernten den Kramer einmal bei den Millers kennen und wurden keine Freunde.
    «Ja, kenn ihn doch. Das Kind nicht, aber ihn. Was war?»
    «Die Luna ist gestern heulend heimgekommen. Den Fridolin kennt sie schon aus der Volksschule, sie waren befreundet, zumindest phasenweise, sie war auch immer wieder an Wochenenden mit denen am Land.»
    «Wusste ich gar nicht.»
    «Doch. Aber jetzt sind sie halt elf, und das ist gendermäßig ein eher deppertes Alter.»
    «Ich fürchte mich schon bei den unseren …»
    «Jedenfalls hat Luna den Fridolin offenbar am Schulhof angequatscht und wollte ihn einladen. So für den Nachmittag, wie früher.»
    «Und?»
    «Weißt du, was er zu ihr gesagt hat, vor ihren Freundinnen und vor seinen Freunden?»
    «Was?»
    «Der elfjährige Sohn vom heiligen Kramer?»
    «Ja, was jetzt?»
    «Er sagte: Gerne, du Hure, und dann fickischdisch.»
    «Oida!»
    «Ja, genau.»
    «Hahaha. Großartig.»
    «Hallo? Ich finde das nicht lustig.»
    «Eh nicht. Ich meinte, weils ein Kramer-Kind war. Aber arme Luna.»
    «Ja. Der war das nicht egal. Puh.»
    «Aber bitte, der Sohn vom Kramer, dem Paradeweltverbesserer, das ist doch Spitzenklasse. Die Luna tut mir natürlich wirklich leid.»
    «Ja, genau.»
    «Und was machst du? Redest du mit ihm?»
    «Aber hundertprozentig. Habe gestern schon angerufen.»
    «Und?»
    «Mailbox.»
    «Er hat nicht zurückgerufen bisher?»
    «Nein, bisher nicht.»
    «Die feige Sau. Typisch!»
    «Gell.»
    «Ruf ihn nochmal an.»
    «Mach ich sofort.»

    Ja, mach das. Ich muss jetzt auflegen und weiter warten, auf ein Glong, auf ein Dingdong, auf ein Piep, auf die Nachricht von einem, von dem ich keine Nachrichten mehr will und keine ersten Küsse, der mein Leben nicht mehr verunreinigen soll und verlügen und verbetrügen und mich zu Gedanken verleiten, die früher oder später den Zorn eines strafenden Gottes in meine Richtung locken werden, egal jetzt, ob ich an einen glaube oder nicht. Eine Nachricht von einem, ohne den ich ein sauberes, ehrliches Mädchen werde, mit einem ordentlichen Leben ohne neue Schuld. Von einem, der vermintes Gebiet ist, auf dem ich hochgehen werde, wenn ich es nicht sofort verlasse. Von einem, der sowieso nie da und also nicht wirklich vorhanden ist, außer als romantische Idee. Von einem, den ich nicht habe und nicht brauche und nicht will und nicht haben sollte und nicht haben darf. Von einem, der mir jetzt eine Nachricht schicken soll. Sein Okay. Sein Wennsnichtandersgeht. Sein Aber. Sein Daswillichnicht. Sein Bittetudasnicht. Sein Kommzurück. Von dem einen, ohne dessen Nachricht ich jetzt nicht ruhig werde und nicht froh, Lügen und Betrug und Schuld hin oder her. Und da erklingt es, das Dong, das ersehnte Dong, und auf meinem iPhone steht: Adam, iMessage. Adam. Nachricht von Adam, gut. Von Adam, der zu mir gehört und ich zu ihm. Ja, gut, und Adam sagt, er macht sich jetzt auf den Heimweg, und er fragt, ob er
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