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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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aus Pflichtbewusstsein, wie nach der Katze, die man nicht geliebt, aber an die man sich gewöhnt hatte. Ich lockte sie, mit Fotos, die ich mir ansah, mit Ansichtskarten und Briefen aus dem Gefängnis, die ich noch einmal las, und einmal war mir, als wehte eine Erinnerung an die Sehnsucht vorbei, als miaute eine Katze in der Ferne, aber die Sehnsucht selbst kam nicht. Sie blieb weg, ihr Platz stand leer. Ein paar Wochen lang wenigstens, dann schoben sich andere Dinge dorthin, in den Raum hinein, Pläne, Ziele, Wünsche, Ideen, sie kamen einfach, ohne Absicht, verwischten die Leere, und der Raum, den die Sehnsucht früher besetzt hatte, verschwand einfach. Ich löschte die Mails, und ich nahm seine Fotos und seine Briefe und seine Karten, ich griff mir ein Feuerzeug und zündete alles im Küchenbecken an, wie ich es in Filmen gesehen hatte, aber der Hahn leckte und tropfte das Papier nass. Es brannte schlecht, ich musste es drei Mal anzünden, und nachdem das Feuer das feuchte Papier endlich doch gefangen und gefressen hatte, spürte ich keine Befriedigung.
    Und genau das war letztlich das Befriedigende. Das Befriedigende, das Befreiende: dass die Dinge vielleicht, manchmal ganz von selber gut werden, ohne mein Zutun, dass ich nichts verbrennen muss und nichts regeln und nichts verhindern.
    Und dass ich vielleicht nichts dafür kann. Nichts tun kann und nichts tun muss. Gar nicht schuld bin. Und auch nicht schuld sein werde. Und dass vielleicht gar nichts passiert. Dass es vielleicht einfach gut bleibt. Es ist unwahrscheinlich, aber möglich wäre es.

[zur Inhaltsübersicht]
    Sechsundvierzig
    Manchmal braucht es nicht viel, damit man etwas begreift. Es ist nicht wie ein Blitz, der einschlägt, es ist kein Erdbeben, und keine Botschaft schreibt sich in flammenden Lettern in den Horizont.
    Manchmal schleicht es sich einfach an, zwischen Hauptgang und Dessert, während du den Schweinsbraten vom Moser verdaust und die Moserin dir einen Schnaps einschenkt, damit du dich dabei leichter tust.
    Es kommt, während die Mahringers erzählen, wie sie ein paar Tage davor ihre alte Katze einschläfern lassen mussten, und wie sie den Abend mit den weinenden Kindern am Sofa verbrachten und sie mit Schokolade fütterten und über das Schicksal sprachen und über das Jenseits und ob es einen Katzenhimmel gibt, und dass es besser werden wird, immer besser, jeden Tag ein bisschen.
    Es passiert, während der Moser erzählt, wie sein Vater seine kranke Katze mit dem Jagdgewehr vor seinen Augen erschossen hatte, als er zehn war, und sie dann in einen Müllsack und in den Abfalleimer stopfte, weil er fand, dass Viecher Viecher seien und keine Gräber wie Menschen haben sollten, und wie er, der kleine Moser, sie dann, als der Vater in der Nachtschicht war, aus dem Mülleimer holte und in der Abenddämmerung im Wald begrub, mit einem Holzkreuz und schönen Steinen und einem Gebet.
    Es kitzelt dich, während es still ist am Tisch, bis einer fragt, ob dem Moser sein Vater denn immer so ein Arschloch gewesen sei, und der Moser sagt, meistens, und dass er es noch immer sei, soweit seine fortschreitende Demenz es zulasse. Während dann wie von selber die Leute am Tisch zu erzählen anfangen, einer nach dem anderen. Während der Gruber erzählt, dass er sich nicht daran erinnern kann, von seinem Vater, einem bekannten Enthüllungsjournalisten, je umarmt worden zu sein. Während Jenny erzählt, wie ihr Vater, ein Banker, sie grün und blau drosch, wenn er getrunken hatte, bis sie fünfzehn oder sechzehn war, und ihre Mutter verprügelte er ebenfalls, und dass sie auch nicht genau sagen kann, warum sie noch mit ihm spricht. Während Feli erzählt, wie ihre Eltern sie mit zehn in ein Schweizer Internat steckten und wie sie ihre Eltern seither nur noch in den Ferien sah. Während Sven erzählt, wie sich, als er sechs war, sein Vater im Keller erhängte, weil seine Mutter sich von ihm trennen wollte, und wie er das Glück hatte, danach von einem netten, liebevollen Stiefvater aufgezogen zu werden. Während die Kaufmann erzählt, dass sie mit acht zu ihren Großeltern kam und fortan dort lebte, weil ihre bis dahin alleinerziehende Mutter ihrem neuen Mann lieber ganz neue, eigene süße Kinder schenken wollte, und nicht eine verunsicherte, achtjährige Bastardtochter. Wie die Miller erzählt, dass ihre Mutter ihr mit siebzehn, als sie die Miller im Jugendzimmerbett mit ihrem Freund erwischte, zur Strafe das ganze Geld wegnahm, das die Miller für eine
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