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Besser

Besser

Titel: Besser
Autoren: Doris Knecht
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fürs Abendessen etwas mitbringen soll, und ich antworte, danke, nein, ich mache Crêpes mit den Kids, echte, mit Cremespinat und mit Pilzen, und mit Marmelade und Puderzucker, und es ist alles da.

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    Vierundvierzig
    Das ist er. Da, vor dir in der Zeitung. Auf Seite vierzehn. Du hast umgeblättert und hast ein Bild gesehen, du wolltest weiterblättern, aber irgendwas an dem Bild hielt dich fest. Du gingst näher an das Bild ran und schautest es dir noch einmal genau an. Und da ist er. Doch, sicher. Er ist das, auf dem Bild. Du stellst abrupt dein Wasserglas ab, das kleine silberne Tablett mit deiner leeren Kaffeetasse scheppert unschön, am Nebentisch dreht ein alter Mann sein altes Gesicht zu dir, um dich an seiner mürrischen Miene teilhaben zu lassen. Du registrierst es kaum, sondern starrst auf das Foto vor dir in dieser Zeitung, einer kleinformatigen Zeitung mit großen Lettern, die dein Mann nie ins Haus lassen würde, aber hier, in diesem Kaffeehaus, liest du, was du willst, die Illustrierten und Klatschblätter in den Lesezirkel-Papp-Umschlägen mit den Stempeln drauf, und kleinformatige Tageszeitungen mit kurzen, fetten Schlagzeilen. Das Bild in der Zeitung ist grau, verschwommen und unscharf, aber was du darauf erkennst, hinter einer dicken Glasscheibe, ist unzweifelhaft seine hagere Gestalt. Seine magere Gestalt, magerer als beim letzten Mal, als du ihn getroffen hast und mit ihm in einem anderen Café saßest, jetzt wieder so mager wie damals, mit grauen, eingefallenen Wangen und trüben Augen.
    Du kannst seine Augen auf dem Foto nicht sehen, er verbirgt sie hinter einer schwarzen Sonnenbrille, aber du weißt, dass seine Augen stumpf blicken hinter den dunklen Gläsern, und du weißt, dass seine Pupillen riesig sind, und du weißt, warum. Auf dem Foto trägt er eine dunkle Strickhaube, aber du siehst sein Haar darunter herausblitzen, eine bleiche Strähne hat sich freigemacht und hängt über die schwarze Brille. Du siehst die schwarze Nylonjacke an seinem Oberkörper schlabbern, der Reißverschluss mit dem Ring daran ist bis ganz oben zugezogen, sodass der kurze Strickkragen die Narbe verdeckt, aber du spürst sie, die Narbe, du spürst sie. Du siehst die Waffe in seiner Hand, sie ist kantig und schwarz, wie die Hand mit dem Handschuh darüber. Das ist er. Kein Zweifel, das ist er. Du starrst auf das Foto, auf ihn, auf sein von Anspannung gezeichnetes Gesicht, das nicht in die Kamera schaut, sondern auf irgendetwas darunter, direkt vor ihm, du starrst sein unscharfes Bild an, und unter dem Bild siehst du jetzt die Worte, und du liest die Worte. Und du siehst zwischen ihnen eine Nummer. Eine Telefonnummer. Eine Telefonnummer mit zwei Dreien drin, einer Sechs und einer Neun, eine Nummer voller Glückszahlen, deinen Glückszahlen. Eine Glücksnummer. Du brauchst nur diese Nummer anzurufen, und dein Leben wird wieder richtig, dein Leben wird wieder in Ordnung sein für viele Jahre, wenn du nur diese Nummer wählst. Die miese Kleinformatszeitung hat dir eine Glücksnummer geschenkt, und diese Nummer kann deine Seele heilen, diese Nummer kann dich retten. Und deine Kinder, und deinen Mann, diese Nummer schützt deine Familie, diese Nummer, voll mit deinen Zahlen, macht alles wieder gut. Diese Nummer gibt dir einen Faden deines Schicksals in die Hand, macht dich zum Meister, zum Kapitän, zum Bauherrn deines kommenden Glücks und seiner immerwährenden Stabilität. Und des Glücks deiner Familie. Du starrst das Foto an und die Nummer, du nimmst einen Schluck von deinem Wasser und stellst das Glas vorsichtig auf die Marmorplatte vor dir, und du steckst dir eine Zigarette an, und du rauchst und starrst das Foto an und starrst die Nummer an, und du starrst durch den Rauch deiner Zigarette hindurch dein iPhone an, das neben dem silbernen Tablett auf dem Tisch liegt. Und du siehst hoch und blickst um dich und der alte Mann mit dem bösen Gesicht ist weg. Und du siehst drüben, hinter der Glastür, durch die es in den Nichtraucherbereich und zu den Klos geht, das Telefon an der Wand, da vorne, direkt zwischen den Toiletten, ein altmodischer Apparat mit großen silbernen Knöpfen. Und du starrst das Foto an und dann die Nummer und dann den Apparat, und du drückst deine Zigarette im Aschenbecher krumm, und du legst Geld auf den Tisch, und du hängst dir deine Tasche um, und du schlüpfst in die Ärmel deiner Jacke, und du drückst die immer noch qualmende Zigarette ganz aus, und du nimmst einen
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