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Besessene

Besessene

Titel: Besessene
Autoren: S Hayes
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…«, murmelte ich und spürte, wie ich mich verkrampfte.
    »Sie kommt nicht rein.«
    Merlins Lippen arbeiteten sich über Wange und Nase bis zu meinem Augenlid hinauf, ehe sie sich auf meinen Mund konzentrierten und jede weitere Äußerung von mir unmöglich machten. Ich konnte kaum atmen, so fest hatte er die Arme um mich geschlungen, aber es fühlte sich so natürlich an, dass ich   – darüber war ich selbst schockiert   – eine Hand unter sein T-Shirt gleiten ließ und jede einzelne seiner Rippen mit meinen Fingern abzählte. Ich spürte, wie er erschauderte.
    »Hab ich kalte Hände?«, fragte ich lachend, obwohl ich wusste, dass dies nicht der Grund war, und ich empfand ein nie gekanntes Gefühl der Stärke.
    Endlich verstand ich, warum so ein Wirbel um das Küssen gemacht wurde. Merlin und ich pressten uns so eng aneinander, dass ich nicht mehr hätte sagen können, wo meine Glieder anfingen und seine aufhörten, und gemeinsam rutschten wir so tief in das Sofa hinein, dass wir uns bald schon in der Horizontalen befanden. Mir war, als würde ich in ihm ertrinken. Dann hörte ich laute Stimmen und zuckte zusammen.
    »Die kommen aus dem Garten«, beruhigte mich Merlin. »Mum hat da wohl gerade ihr Grüppchen verirrter Künstler um sich geschart.«
    Plötzlich gab es einen Knall, die Ateliertür sprang auf und der entstehende Luftzug wirbelte etliche Bogen Papier durch den Raum. Ich machte mich aus Merlins Umarmung los und setzte mich wieder aufrecht hin.
    »Das war doch nur der Wind. Mum ist Frischluftfanatikerin.«
    »Tut mir leid«, murmelte ich. »Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.« Ich sah auf den Boden. »Ich   … ich bin nicht sicher, ob ich für etwas   … Ernstes schon bereit bin.«
    »Für etwas Ernstes?« Merlin fuhr sich mit der Hand durchs Haar und atmete langsam aus. »Katy, ich stecke bereits so tief drin   … wenn du nur einmal im Monat ins Kino gehen und Händchen halten willst   … ich weiß echt nicht, ob ich das kann.«
    Beschämt biss ich mir auf die Lippe. »Ich doch auch nicht.« Er streichelte meinen Arm, aber ich blieb starr sitzen. »Vielleicht geht es mir ja nur ein bisschen   … zu schnell.«
    Seine Stimme klang rau. »Ich wusste innerhalb von sieben Sekunden, was ich für dich empfinde, aber   … wenn du sieben Wochen oder sieben Jahre brauchst, bis du das Gleiche für mich fühlst, dann halte ich auch das aus.«
    Der Kloß in meinem Hals wurde größer. »Ich fühle genauso wie du, aber vielleicht brauchen wir einfach einen etwas   … intimeren Ort für uns.«
    Merlin lächelte wissend. »Ich denke ja längst darüber nach, ob ich dich hier in meinem Turm einsperren soll, um dich vom Rest der Welt abzuschirmen.«
    Gerade wollte ich etwas darauf erwidern, als ich sah, wie spät es war.
    Es ging bereits auf den Abend zu und ich musste nach Hause zu Mum. Wenn ich mit Merlin zusammen war, verflogen die Stunden immer im Nu. Als er für einen Moment aus dem Zimmer ging, warf ich rasch einen Blick auf sein Gemälde. Viel mehr als ein paar zarte Pinselstriche war eigentlich nicht darauf zu sehen und doch hatte mein Gesicht schon etwas Gestalt angenommen und schien blass und ätherisch durch die gedeckten Farben, die so ganz anders waren als sein sonst eher plakativer Stil. Dann hörte ich ihn zurückkommen und wandte mich schnell ab.
    Widerstrebend verließen wir das Haus und gingen Hand in Hand durch den Garten auf die Straße zu. Als wir das Tor erreichten, warf ich noch mal einen Blick zurück. Obwohl die Sonne schon tief stand, kniff ich die Augen zusammen, denn zwischen den Bäumen bewegte sich eine Gestalt so schnell und leichtfüßig wie eine Elfe. Irgendetwas beunruhigte mich an ihr. Ich sah Merlin an, aber ihm schien nichts aufgefallen zu sein und allmählich glaubte ich, dass mich dieses Mädchen verhext hatte. Sie konnte doch nicht überall sein, das war unmöglich. Ich ging schneller, weil ich zu spüren meinte, dass zahllose Augen uns beobachteten. Als ich Merlin zum Abschied küsste, tat ich es mit einer merkwürdigen Verzweiflung, die ich mir selbst nicht zu erklären wusste.
     
    In dieser Nacht träumte ich wieder von ihr: Diesmal lag sie mit schmachtendem Blick auf Merlins abgewetztem Sofa und aalte sich in ihrer Schönheit. Ich konnte ihrem Blick nicht ausweichen und musste mit ansehen, wie sie sich anmutig erhob, quer durch den Raum auf die Staffelei zutänzelteund sie in meine Richtung drehte. Das Mädchen auf dem Gemälde war jetzt nicht mehr
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