Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Besessene

Besessene

Titel: Besessene
Autoren: S Hayes
Vom Netzwerk:
Leinenballerinas waren bald völlig durchnässt. Hannah war auch nicht besser dranals ich, wie sie sich in ihrem gesmokten Kleid vorsichtig einen Weg durch die Wiese zu bahnen suchte, dessen Gras sie an ihren nackten Beinen pikste. Nat war die Einzige, die mit pink- und grünfarbenen fluoreszierenden Gummistiefeln und Jeans-Shorts vernünftig angezogen war. Sobald sich aber der frühe Morgennebel gelichtet hatte, wurde der Himmel auf einmal erstaunlich blau und wir zogen alle unsere Jacken aus. Keine von uns hatte sich zu Hause mit einem Frühstück aufgehalten und der Duft von Kaffee, Donuts und Croissants wehte uns verlockend entgegen. Automatisch marschierten meine Füße auf den Essensstand zu, aber zwei Paar Hände zogen mich zurück. »Wir können jetzt noch keine Pause machen, sonst gehen uns die ganzen guten Sachen durch die Lappen.«
    Die beiden hatten recht   – innerhalb von zehn Minuten, in denen wir fieberhaft herumstöberten, hatte ich einen Filzhut mit Nadelstreifen entdeckt, der Merlin ganz bestimmt gefallen würde, und ein Kleid mit Glockenrock im Stil der Fünfzigerjahre, das mit Kohlrosen verziert war. Ich wusste, dass es nicht wirklich alt war, und es gelang mir, den Preis von acht auf fünf Pfund herunterzuhandeln. Nat schlug bei einer ausgestopften Katze zu, weil sie die sammelte, und bei einer perlenbesetzten Abendtasche aus den Zwanzigerjahren, die sie lockere fünfzehn Pfund kostete. Danach konnten wir unmöglich länger mit dem Frühstück warten, und weil alle Plastikstühle schon besetzt waren, hockten wir uns auf die Wiese, schlürften heißen Kaffee und aßen frittierte und gezuckerte Donuts, die so süß waren, dass uns die Zähne wehtaten. Es war so schön, mit Nat und Hannah hier zu sein, die frühen Sonnenstrahlenzu genießen und zuzusehen, wie sich das Feld langsam füllte. Das schreckte uns keineswegs ab, bedeutete allerdings eine größere Herausforderung und es machte Spaß, die Leute zu beobachten. Hin und wieder seufzte Nat, wenn sie an Merlins Freund Adam dachte, in den sie hoffnungslos verliebt war. Hannah stand auf, um ihren Abfall in einen Mülleimer zu werfen, und ich beugte mich zu Nat hinüber. »Warum versuchst du nicht einfach, ihn mit deiner ganzen Willenskraft für dich zu gewinnen?«, flüsterte ich ihr zu.
    Nat machte große Augen und sah mich schelmisch an. »In Magie versuchst du dich jetzt also auch?«
    »Nein   … nicht Magie«, versuchte ich ihr zu erklären, »es geht einfach nur um die positive Energie, die man braucht, damit die Dinge sich voranbewegen. Das kann man üben, aber es gibt Leute, die haben da einen gewissen   … Vorsprung.«
    »Und was sind das für Leute?«
    »Na ja   … man muss eben aufgeschlossen sein und es wirklich deutlich machen, wenn man etwas unbedingt will.«
    »Hast du Merlin auch auf diese Art geködert?«, zog Nat mich auf.
    Ich presste die Lippen aufeinander und weigerte mich, mit der Antwort herauszurücken. Hannah kam zurück und sah uns fragend an, aber ich sagte ihr, dass es sich um einen Insiderwitz handele. Sie verzog zwar das Gesicht, doch es schien sie nicht weiter zu stören. Ich rupfte ein paar Gänseblümchen aus und verstreute die Blütenblätter um mich herum.
    »Hannah? Du kennst Merlin ja am längsten«, sagte ich wie beiläufig. »Hat er schon viele Freundinnen gehabt?«
    »Komischerweise nein«, erwiderte sie langsam. »Obwohl es eine ganze Menge Mädels bei ihm probiert haben   … aber er ist ja ein so   … intensiver Typ und voll von seiner Arbeit in Anspruch genommen. Ich glaube, er hat sich für dich aufgehoben.«
    Ich stand auf, versuchte zu verbergen, dass ich mich über ihre Worte freute, und klopfte mir die Krümel von den Jeans. Im gleichen Moment sah ich sie: Obercool arrangierte sie eine kleine Schmuckkollektion auf einem wackeligen Holztisch und grinste mich an. Der Donut blieb mir im Hals stecken und mir wurde auf der Stelle schlecht. Der Pappbecher fiel mir aus der Hand und rollte auf den Boden.
    »Da drüben steht sie übrigens gerade«, knurrte ich böse. »Jetzt habe ich die Nase voll, ich stelle sie zur Rede.«
    Ohne Nats oder Hannahs Reaktion abzuwarten, marschierte ich auf den Stand des Mädchens zu und wandte dabei nicht den Blick von ihr. Rücksichtslos drängte sich ein Mann an mir vorbei und lenkte mich sekundenlang ab   – danach war sie verschwunden. An ihrer Stelle stand jetzt eine verärgert aussehende ältere Frau.
    »Wo ist denn das Mädchen hingegangen?«, fragte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher