Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bertrams Hotel

Bertrams Hotel

Titel: Bertrams Hotel
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Anhänglichkeit zum Haus zurück.«
    »Aber das ist nicht der wahre Grund?«
    »Nun, Colonel Luscombe, ich führe schließlich ein Hotel und könnte es mir nicht leisten, tatsächlich Geld dabei zuzusetzen.«
    »Aber wie kann sich dieses Entgegenkommen bezahlt machen?«
    »Es ist eine Frage der Atmosphäre… Fremde, die dieses Land besuchen, insbesondere wohlhabende Amerikaner, haben ihre eigenen, ziemlich merkwürdigen Vorstellungen von England. Wohlgemerkt, ich spreche nicht von den reichen Industriekapitänen, die ständig den Atlantik überqueren, um ihre Geschäfte abzuwickeln. Sie steigen gewöhnlich im Savoy oder im Dorchester ab; sie verlangen moderne Ausstattung, amerikanische Gerichte – kurz – sie wollen sich wie zuhause fühlen. Aber es gibt viele Menschen, die nur gelegentlich ins Ausland fahren und von unserem Land eine ganz bestimmte Vorstellung haben! Also reisen sie hinterher wieder heim und sagen: ›Es gibt ein wundervolles Fleckchen in London, und das ist Bertrams Hotel. Man kommt sich vor, als sei man hundert Jahre zurückversetzt, es ist dort wie im alten England! Und die Menschen, die da wohnen! Menschen, denen man sonst nirgendwo auf der Welt begegnen würde. Würdige alte Herzoginnen. Und sie bringen alle die echten englischen Gerichte auf den Tisch, zum Beispiel eine hervorragende Beefsteak-Pastete nach altem Rezept! So etwas Gutes hast du noch nie gegessen. Und große Lendensteaks und Hammelrücken gibt es, einen richtig altmodischen englischen Nachmittagstee und ein wunderbares englisches Frühstück. Außerdem natürlich noch alle die üblichen Dinge. Und es ist herrlich komfortabel. Und warm. Riesige Kohlenfeuer.‹«
    Mr Humfries beendete seine Darbietung und ließ sich dazu herab, seinen Mund zu einem kleinen Grinsen zu verziehen.
    »So liegt die Sache also«, sagte Luscombe nachdenklich. »Alle diese Leute – dekadente Aristokraten, verarmte Mitglieder der alten Großgrundbesitzerfamilien – liefern sozusagen nur das Bühnenbild, ja?«
    Mr Humfries nickte zustimmend.
    »Ich wundere mich eigentlich, dass sonst noch niemand auf den Gedanken gekommen ist. Natürlich habe ich das Bertrams sozusagen fix und fertig vorgefunden. Außer einer ziemlich kostspieligen Modernisierung war nichts weiter erforderlich – die Instandsetzung nach dem Krieg schlug nicht weiter zu Buche. Alle Leute, die hierher kommen, bilden sich ein, eine Entdeckung gemacht zu haben, von der niemand anders weiß.«
    »Die Modernisierung«, meinte Luscombe, »war wohl wirklich recht teuer, nicht wahr?«
    »O ja. Das Hotel muss antiquiert wirken, aber gleichzeitig den modernen Komfort besitzen, der uns heutzutage als selbstverständlich erscheint. Unsere alten Leutchen – wenn Sie mir diese Bezeichnung verzeihen wollen – müssen das Gefühl haben, dass sich seit der Jahrhundertwende nichts geändert hat, und unsere Gäste aus Übersee müssen spüren, dass ihnen eine stilechte Umgebung und zugleich alle zivilisatorischen Errungenschaften geboten werden, die sie zuhause gewohnt sind und ohne die sie nicht leben können!«
    »Manchmal etwas schwierig, nicht wahr?«, meinte Luscombe.
    »Nicht so sehr. Nehmen wir zum Beispiel die Zentralheizung. Die Amerikaner verlangen – brauchen, möchte ich sagen – mindestens zehn Grad Fahrenheit mehr als die Engländer. Wir haben also tatsächlich zwei ganz verschiedene Typen von Hotelzimmern. Die Engländer stecken wir in die eine Sorte, die Amerikaner in die andere. Die Zimmer sehen alle gleich aus, aber in Wirklichkeit sind sie ziemlich verschieden – elektrische Rasierapparate und Duschen neben den Wannen in einigen der Badezimmer. Und wenn ein amerikanisches Frühstück verlangt wird, so ist es da – Cornflakes, eisgekühlter Orangensaft und alles, was sonst noch so dazugehört; wenn aber jemand ein englisches Frühstück vorzieht, so wird eben das serviert.«
    »Eier und Speck?«
    »Ganz recht – aber noch weit mehr als das, wenn Sie es wünschen. Geräucherte Salzheringe, Nieren mit Speck, kaltes Waldhuhn, York-Schinken, Oxford-Marmelade.«
    »Morgen Früh muss ich es ausprobieren. So etwas gibt’s zuhause schon lange nicht mehr.«
    Humfries lächelte.
    »Wir bemühen uns, den Leuten alles zu bieten, wonach sie verlangen.«
    »Einschließlich Kümmelkuchen und Muffins – ja, ich verstehe. Jedem nach seiner Fasson – verstehe… ganz marxistisch.«
    »Wie bitte?«
    »Ein flüchtiger Gedanke, Humfries. Gegensätze ziehen sich an.« Colonel Luscombe wandte sich ab
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher