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Bertrams Hotel

Bertrams Hotel

Titel: Bertrams Hotel
Autoren: Agatha Christie
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und nahm den Schlüssel, den Miss Gorringe ihm reichte. Ein Page sprang herbei und geleitete ihn zum Fahrstuhl. Im Vorbeigehen sah Colonel Luscombe, dass Lady Selina Hazy jetzt bei ihrer Freundin Jane Sowieso saß.

2
     
    » U nd du lebst immer noch in diesem reizenden St. Mary Mead, nicht wahr?«, fragte Lady Selina gerade. »Solch ein entzückendes, unverdorbenes Dorf! Ich denke oft daran zurück. Es ist sicher noch genauso wie früher, ja?«
    »Nun, nicht ganz.« Miss Marple dachte an gewisse Veränderungen ihres Wohnorts. Die neue Siedlung. Die Vergrößerung des Gemeindesaals und das veränderte Aussehen der Hauptstraße mit ihren modernen Ladenfassaden. Sie seufzte. »Aber man muss sich wohl mit dem Wandel abfinden.«
    »Fortschritt«, bemerkte Lady Selina. »Obwohl es in meinen Augen oft kein Fortschritt ist. Wenn ich nur an alle diese eleganten Toiletteneinrichtungen denke! In sämtlichen Farben und Ausführungen – aber kann man richtig ziehen? Oder drücken? Jedes Mal wenn man Freunde besucht, findet man im Klo irgendeinen Hinweis – ›Kräftig drücken und loslassen‹, ›Nach links ziehen‹, ›Rasch loslassen‹. In der guten alten Zeit zog man einfach an einem Griff, und sofort schoss eine Unmenge von Wasser hervor. – Da ist ja unser lieber Bischof von Medmenham«, unterbrach sich Selina, als ein gut aussehender älterer Geistlicher vorbeiging. »Praktisch blind, glaube ich. Aber solch ein glänzender, kämpferischer Priester.«
    Damit kam es zu einer kurzen Plauderei über die Geistlichkeit, die hin und wieder unterbrochen wurde, wenn Lady Selina verschiedene Freunde und Bekannte zu erkennen glaubte, von denen viele gar nicht die Menschen waren, für die sie sie hielt. Sie und Miss Marple sprachen auch ein wenig über die »alten Tage«, obgleich Miss Marple natürlich eine ganz andere Erziehung genossen hatte als Lady Selina und ihre gemeinsamen Erinnerungen sich hauptsächlich auf die paar Jahre beschränkten, als Lady Selina, gerade verwitwet und in sehr bescheidenen Verhältnissen lebend, ein kleines Haus im Dorf St. Mary Mead gemietet hatte, um in der Nähe ihres zweiten, auf einem nahebei gelegenen Flugplatz stationierten Sohnes zu sein.
    »Wohnst du immer hier, wenn du nach London kommst, Jane? Merkwürdig, dass ich dich noch nie hier getroffen habe.«
    »Aber nein. Das könnte ich mir gar nicht leisten. Außerdem verreise ich jetzt nur noch selten. Nein, eine Nichte von mir kam auf den reizenden Gedanken, mir mit einer Einladung nach London eine Freude zu machen. Joan ist ein sehr gutmütiges Mädchen – eigentlich wohl kaum mehr ein Mädchen.« Miss Marple ging es durch den Kopf, dass Joan mittlerweile fast fünfzig sein musste. »Sie ist Malerin, weißt du. Eine ziemlich bekannte sogar. Joan West. Vor gar nicht so langer Zeit fand eine Ausstellung ihrer Bilder statt.«
    Lady Selina hatte wenig Interesse an Malern und allem, was mit Kunst zu tun hatte. Sie betrachtete Schriftsteller, Musiker und andere Künstler gewissermaßen als kluge dressierte Tiere und war bereit, ihnen gegenüber Nachsicht walten zu lassen.
    »So moderner Kram, nehme ich an«, sagte sie, während ihre Augen umherwanderten. »Da drüben ist Cecily Longhurst – hat offensichtlich wieder ihr Haar gefärbt.«
    »Ich fürchte, die liebe Joan ist tatsächlich ziemlich modern.«
    Hier irrte sich Miss Marple entschieden. Joan West war vor etwa zwanzig Jahren avantgardistisch gewesen, wurde jetzt jedoch von den jungen arrivierten Künstlern als völlig altmodisch betrachtet.
    Nach einem kurzen Blick auf Cecily Longhursts Haar schwelgte Miss Marple wieder in angenehmer Erinnerung an Joans Freundlichkeit. Joan hatte tatsächlich zu ihrem Mann gesagt: »Ich wollte, wir könnten etwas für die arme alte Tante tun. Sie kommt gar nicht mehr aus dem Haus. Glaubst du, sie möchte ein paar Wochen nach Bournemouth?«
    »Das ist wirklich eine gute Idee«, hatte Raymond West erwidert. Sein letztes Buch war sehr erfolgreich gewesen und er dementsprechend in Geberlaune.
    »Ihre Reise nach Westindien hat ihr, glaube ich, gut gefallen. Ein Jammer nur, dass sie in einen Mordfall verwickelt wurde. Nicht gut in ihrem Alter.«
    »So etwas scheint ihr aber dauernd zuzustoßen.«
    Raymond hatte seine alte Tante sehr gern, und er überlegte immer wieder, womit er ihr eine Freude machen könnte. Dass sie viele seiner Vorschläge höflich ablehnte, erstaunte ihn, und so hegte er auch manchmal den Verdacht, dass sie die Bücher, die er ihr hin
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