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Bertrams Hotel

Bertrams Hotel

Titel: Bertrams Hotel
Autoren: Agatha Christie
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vielleicht eine dauerhafte Verbindung geworden, wenn er sich nicht bei einem Hindernisrennen den Hals gebrochen hätte. Danach heiratete sie Ridgway Becker, den amerikanischen Jachtbesitzer. Er ließ sich vor drei Jahren von ihr scheiden, und wie ich höre, ist sie jetzt mit einem Rennfahrer zusammen – einem Polen oder so. Ich weiß nicht, ob sie ihn tatsächlich geheiratet hat. Nach der Scheidung von dem Amerikaner nahm sie wieder den Namen Sedgwick an. Sie verkehrt mit den merkwürdigsten Leuten. Man munkelt, dass sie Rauschgift nimmt… ich weiß es wirklich nicht.«
    »Man fragt sich, ob sie wirklich glücklich ist«, meinte Miss Marple.
    Lady Selina, die sich diese Frage offensichtlich niemals gestellt hatte, blickte ziemlich bestürzt drein.
    »Sie hat Geld wie Heu, nehme ich an«, sagte sie ein wenig unsicher. »Unterhaltszahlungen und dergleichen. Natürlich bedeutet das nicht alles…«
    »Ganz gewiss nicht.«
    »Und sie hat gewöhnlich einen Mann – oder sogar mehrere – im Schlepptau.«
    »So?«
    »Für manche Frauen, wenn sie in die Jahre kommen, ist das der Inbegriff ihrer Wünsche… Aber irgendwie…« Sie hielt inne.
    »Nein«, sagte Miss Marple. »Ich glaube das auch nicht.«
    Manche Leute hätten mit sanftem Spott über diese Äußerung einer alten Dame gelächelt. Aber Lady Selina akzeptierte ihre Meinung als eine Bestätigung der eigenen.
    »Sehr viele Männer haben in ihrem Leben eine Rolle gespielt«, betonte sie.
    »O ja«, erwiderte Miss Marple, »aber ich möchte wohl sagen, dass Männer für sie ein Abenteuer und keine Notwendigkeit sind. Meinst du nicht auch?«
    Und würde wohl irgendeine Frau, fragte sich Miss Marple, in Bertrams Hotel kommen, um sich mit einem Mann zu treffen? Dazu war das Bertrams ganz entschieden nicht der geeignete Ort. Doch für eine Frau von Bess Sedgwicks Temperament mochte gerade das der Grund sein, warum sie es gewählt hatte.
    Seufzend blickte sie auf die hübsche Standuhr, die dezent in der Ecke tickte, und erhob sich mit der Behutsamkeit eines unter Rheuma leidenden Menschen. Langsam ging sie auf den Lift zu. Lady Selina ließ ihre Blicke umherschweifen und stürzte sich auf einen älteren Herrn von militärischem Aussehen, der gerade den Spectator las.
    »Wie schön, Sie hier wieder zu sehen. Hm – Sie sind doch General Arlington, nicht wahr?«
    Doch mit großer Höflichkeit verneinte der alte Herr, General Arlington zu sein. Lady Selina entschuldigte sich, war aber nicht übermäßig aus der Fassung gebracht. Ihre Kurzsichtigkeit war mit Optimismus verbunden, und da es ihr größtes Vergnügen war, alte Freunde und Bekannte zu treffen, unterliefen ihr dauernd solche Fehler.
    Miss Marple lächelte vor sich hin, während sie auf den Lift wartete. Typisch Selina! Immer überzeugt, dass sie jeden kenne. Sie selbst konnte da nicht mithalten. Ihr einziges Aktivum auf diesem Gebiet war der gut aussehende und Gamaschen tragende Bischof von Wetchester gewesen, den sie mit »mein lieber Robbie« angeredet und der ihr ebenso liebevoll geantwortet hatte. Der Lift kam von oben, und der ältere Mann in Uniform öffnete die Tür. Miss Marple war ziemlich überrascht, dass der aussteigende Fahrgast Bess Sedgwick war, die sie erst vor wenigen Minuten hatte hinauffahren sehen.
    Aber dann blieb Bess Sedgwick stehen – und starrte so konzentriert über Miss Marples Schulter, dass die alte Dame sich umdrehte.
    Der Portier hatte gerade die beiden Schwingtüren beim Eingang aufgestoßen und hielt sie fest, um zwei Damen in die Halle treten zu lassen. Eine von ihnen war eine pedantisch wirkende Frau in mittleren Jahren, die einen ziemlich unpassenden, mit Veilchen geschmückten Hut trug. Die andere war ein großes, einfach, aber elegant gekleidetes Mädchen von etwa siebzehn oder achtzehn Jahren mit langem, glattem, flachsblondem Haar.
    Bess Sedgwick riss sich zusammen, kehrte um und betrat wieder den Lift. Als Miss Marple ihr folgte, wandte sie sich ihr zu und entschuldigte sich.
    »Verzeihen Sie bitte. Ich hätte Sie beinahe umgerannt.« Sie hatte eine warme, freundliche Stimme. »Es ist mir gerade eingefallen, dass ich etwas vergessen habe…«
    »Zweiter Stock?«, fragte der Fahrstuhlführer. Miss Marple nahm lächelnd die Entschuldigung entgegen, stieg wieder aus und ging langsam zu ihrem Zimmer, indem sie vergnügt verschiedene kleine Probleme wälzte, wie das so ihre Gewohnheit war.
    Zum Beispiel: Was Lady Sedgwick gesagt hatte, stimmte nicht. Sie war gerade erst auf
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