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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel
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eklatanter Stilbruch! Döppekooche passt nicht zu echten Gentleman-Einbrechern!«
    »Wenn’s Eifeler sind, schon.« Ich hielt ihm die Thermoskanne hin. »Dann isst du eben nichts, sondern trinkst nur. Es geht ja ohnehin nur ums Prinzip.«
    Bertie drehte die Verschlusskappe auf. Und das war dann der Moment, in dem er vollends ausflippte.
    »Was ist das?«, verlangte er brüllend zu wissen.
    »Viez«, sagte ich, Böses ahnend.
    »Wieso ist das kein Tee?«
    Rüdiger nahm einen nachlässig gespülten Keramikbecher von der Anrichte der Teeküche und hielt ihn Bertie hin.
    »Es muss aber Tee sein«, röhrte Bertie. »Heißer Earl-Grey-Tee! Oder wenigstens Assam!«
    So ein Spinner
, dachte ich. Aber da ich ein vernünftiger Mann mit Mutter, Bruder, Hund und Kreditverpflichtungen war, sprach ich es nicht aus.
    »So geht das nicht!«, schrie Bertie, dem augenblicklich eine Schlagader zu platzen drohte. »Das ist nicht britisch!«
    »Aber erfrischend«, meinte Rüdiger arglos, der sich noch mal nachschenkte.
    Blut kochte, Fäuste flogen, Apfelwein floss und das nachfolgende Tableau – Bertie, der sich mit seinen hageren Händen in meinen Hals verkrallt, ich, der ich versuche, mein Knie in Berties Weichteile zu rammen, und Rüdiger, der dazwischengehen will, ohne den Tee in seinem Keramikbecher zu verschütten – wurde in dem Moment unterbrochen, als die Eingangstür klimpernd aufgeschlossen wurde.
    Ein fröhliches Lied pfeifend trat der Filialleiter der Bank in die Schalterhalle.
    Wie eingefroren verharrten wir in unseren Positionen: Bertie mit ausgestreckten Würgerarmen in mein Konfirmationsanzugsrevers verkrallt, ich mit erhobenem Knie, Rüdiger den Becher balancierend und »ich muss mal nötig« flüsternd zwischen uns. Oh mein Gott, dachte ich, gefangen in einer Kaffeeküche mit zwei Bekloppten, einer übervollen Blase und einem Bluthochdruckcholeriker, der sekündlich explodieren konnte. Wollte dieser Tag denn kein Ende nehmen?
    Die Zeit blieb stehen.
    Es war nur das Pfeifen des Filialleiters zu hören.
    Und das verstummte, als er der offenen Safetür ansichtig wurde.
    Der Filialleiter. Mitte fünfzig. Frisch geschieden. Einen Squashschläger in der Hand haltend, der ihm gleich darauf aus eben dieser Hand fällt.
    Er stutzt, stockt, stiert – und dann stopft er das ganze Geld aus dem Safe in seine Sporttasche.
    Aus den Augenwinkeln sehen wir, immer noch reglos, ungläubig zu.
    Mir schläft das Bein ein.
    Dann rennt der Filialleiter hinaus. Durch das Kaffeeküchenfenster sehen wir, wie er die Sporttasche in seinen Wagen wirft. Und da hören wir auch schon, wie er »Überfall! Überfall!« gellend in Richtung eines Pulks marodierender Kirmesbesucher rennt.
    »Scheiße, der will sich mit unserem Geld sanieren«, fluche ich.
    »Weg hier«, rät Bertie, dem man zugute halten muss, dass er in Krisensituationen einen kühlen Kopf bewahrt. Wenn es nicht gerade um die echt britische Teezeit geht.
    Wir krallen unsere Siebensachen, Aktenkoffer, Schweißbrenner, Thermoskanne und trollen uns durch die Hintertür. Unser Fluchtwagen springt sofort an und schon sind wir in Richtung Autobahn unterwegs. Hinter uns hören wir die ersten Sirenen.
    »Das war knapp«, seufzt Rüdiger und rülpst Apfelweinschwaden in den Innenraum des geklauten BMW.
    Nein, uns verrieten nicht – wie damals bei den Gentleman-Posträubern – unsere Fingerabdrücke. Keiner von uns hatte seine Einmalhandschuhe auch nur für eine Sekunde ausgezogen. Die Polizei entdeckte allerdings Rüdigers Spucke an dem Keramikbecher. Danach ging – dank DNS-Test – alles rasend schnell, schließlich waren wir aktenkundig.
    Ich bot mich als Kronzeuge an, um Strafminderung zu bekommen. Aber die Bullen glaubten mir nicht, dass der Filialleiter das Geld eingesackt hatte. Der Mann war unbescholten und guckte wie ein Lamm. Rüdiger und ich waren dagegen vorbestraft. Und guckten – genetisch bedingt – wie Pitbulls. Wir bekamen acht Jahre. Nicht zusammen, jeder einzeln. Er in Trier, ich in Wittlich.
    Bertie kam mit Bewährung davon, weil ihm seine reiche Witwe einen gelackten Star-Anwalt engagiert hat. Das Letzte, was wir von Bertie hörten, war, dass er nach England ausgewandert sein soll. Wird ’ne herbe Enttäuschung für ihn, wenn er merkt, dass es dort auch keine Postzüge mehr gibt.
    Mutti besuchte uns im wöchentlichen Wechsel in unseren jeweiligen Justizvollzugsanstalten und schärfte Rüdiger und mir immer ein, dass wir uns hinter Gittern vorbildlich verhalten
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