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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel
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sollten, dann kämen wir vielleicht nach der Hälfte der Zeit wegen guter Führung frei.
    Der Filialleiter setzte sich gleich nach der Verhandlung ab. Er blieb verschwunden. Offiziell.
    Inoffiziell hat Mutti ihn in seiner Jagdhütte aufgespürt, kurz bevor er den Abflug in tropische Gefilde machen wollte. Sie war ein wenig stinkig, weil ihre Jungs wegen ihm für nichts und wieder nichts einsitzen mussten. Und da gab wohl ein Wort das andere.
    Mutti sagt, das Geld sei jetzt sehr gut angelegt und wir würden alle drei nie wieder finanzielle Sorgen haben. Und die Gefrierbeutel mit den filetierten Filialleiterresten nehme sie regelmäßig mit zu ihren Besuchen im Hirsch- und Saupark ...

Sein 51. Fall
von Jürgen und Marita Alberts
    Nein, ich hab ihm nicht helfen können.
    Obwohl es ganz gut aussah. Wenigstens eine Zeitlang.
    Er war nur zwei Meter von mir entfernt. Vielleicht weniger. Mehr als eine Armlänge. Er hielt den Blick auf mich gerichtet. Starr. Unbeugsam. Entschlossen. Auch als er sprang, hat er mich noch angesehen. Diese Augen, mein Gott, diese Augen. Sie entfernten sich, und doch blieben sie mir nah.
    Zu nah.
    Viel zu nah.
    Zwei Tage zuvor hatten wir gefeiert. Ein Jubiläum. Die Kollegen hatten ein Fässchen Bier in die Dienststelle gerollt. Belegte Schnittchen. Das Übliche. Nur mir haben sie nichts davon gesagt. Alles heimlich vorbereitet. Selbst der Dienststellenleiter war anwesend. Was für eine Ehre. Wenn der Chef schon dabei ist. Irgendwann wurde es feierlich. Für ein paar Minuten. Länger spricht der Chef nie. Unser Doktor Selbstmord, nennt er mich. Ist mir lieber als Suizid-Klempner, wie mich die Kollegen oft titulieren. Glücklicherweise haben die anderen den Mund gehalten. Noch mehr Lobeshymnen hätte ich nicht durchgestanden. Am Schluss sagte der Polizeipräsident: »Wenn ich mich umbringen will, rufe ich Sie vorher an, lieber Doktor Selbstmord.« Alles lachte. Die Älteren nickten mir aufmunternd zu.
    Der Anruf war kurz nach sechs gekommen. Draußen war es schon hell. Da steht einer auf der Brücke, hieß es. Ich wusste erst gar nicht, was er meinte. Brücken haben wir viele. »Zingsheim«, sagte der Kollege von der Notrufzentrale und hatte schon aufgelegt. Zingsheim, klar.
    Als ich ankam, standen da zehn Bauarbeiter. Seit einer Ewigkeit wird hier an der Al herumgebastelt. Sie hatten ihn gesehen, als sie zur Baustelle kamen. Hatte sein Auto gleich beim Klohäuschen auf dem abgesperrten Fahrbahnstreifen abgestellt. Klammerte sich von außen am Geländer fest und zitterte. Windig und kalt hier oben. Fehlte nur noch, dass einer rief: Spring doch, du Feigling. Ist schon vorgekommen. Mehr als einmal.
    Ich habe mir erst mal eine angesteckt und ihm die Packung hingehalten. Das klappte, wie es schon so oft geklappt hat. Keine Frau, keine Verwandten, niemanden, den ich einbinden konnte. Wenn erst mal die Ehefrau auftaucht und mit einem Suizidgefährdeten spricht, dann ist schon viel gewonnen. Er hat nicht viel geredet. Langsam bekam ich das Gefühl, dass er mir traut. Arbeitete im Amt in Stadtkyll. Mittlere Charge. Nur nicht zu viel Verantwortung übernehmen, sagte er. Und dann ist er in den Tod gesprungen. Am 7.7. um acht Uhr zwölf.
    Ich war ihm schon mal begegnet.
    Viele Jahre her.
    Als ich ihn unten liegen sah, fiel es mir ein. Schichtdienst. Kurz vor Mitternacht. Er kam in ziemlich verwirrtem Zustand an. »Nehmen Sie mich in Haft«, sagte er mit schriller Stimme, ich kann für nichts garantieren. Ich tue mir was an.« Gar nicht so einfach, eine kostenlose Übernachtung in der Zelle zu kriegen. Ich hab auf das Formular geschrieben: stark alkoholisierter Zustand. Obwohl er nicht besoffen war. In den Akten fand ich mein Protokoll von damals wieder. Als ich auf das Datum sah, 7.Juli, gab es für mich kein Zurück. Ich musste wissen, warum ich ihm nicht hatte helfen können. Musste den Fall aufklären, obwohl wir in Suizid-Fällen nicht mehr tätig werden dürfen. Ich hab mir beim Chef die Erlaubnis geholt. Aber nur, wenn Sie Urlaub dafür einreichen. Sagte er. Barsch wie immer. Von wegen Jubiläum.
    Im Amt in Stadtkyll gab es betretene Mienen. Niemand wusste etwas über Waltermann zu sagen. Sogar sein Schreibtisch war schon wieder besetzt. Nein, das war ein Einzelgänger. Nein, bei Betriebsfesten hat er sich nie blicken lassen. Wir haben schon gedacht, er ist ein Alki, der nicht auffallen will. Seine Arbeit hat er immer pünktlich erledigt.
    In der Personalakte dann die Überraschung. Im zweiten Jahr
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