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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel
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erscheinen!«
    »Muss das wirklich sein?« Bitteschön, wer räumt im Hochsommer bei über dreißig Grad im Schatten eine Bank im
Anzug
aus?
    »Entweder wir machen es richtig oder gar nicht«, maulte Bertie, der immer gleich beleidigt war, wenn man seinen Plänen nicht jubelnd zustimmte. »Die englischen Posträuber sind nicht nur für ihren kühnen Plan unsterblich geworden, sondern auch für ihr tadelloses Erscheinungsbild. Ehrlich; Detlef, du bist ein Holzkopf. Wenn du dich am Kopf kratzt, gibt es Splitter.«
    Manchmal hätte ich bei Bertie gern auf den Pausenknopf gedrückt. Er hatte uns seine
Regeln für Gentlemen-Einbrecher
nicht nur mehrfach bühnenreif vorgetragen, sondern auch auf ein liniertes Blatt kopiert und im Copyshop vervielfältigen lassen: 1.) Immer im Anzug! 2.) Keine sichtbaren Tätowierungen! 3.) Kein Schmuck.
    Rüdiger hatte es fast das Herz gebrochen, als er seinen geliebten Totenkopfring bei Mutti deponieren musste. Und Mutti brach es fast das Herz, als ich mir ihren Makeup-Abdeckstift auslieh. Offenbar befürchtete sie
Brokeback-Mountain
-Zustände, weil ich ihr nicht sagte, dass ich damit das Spinnen-Tattoo auf meinem Hals überschminken wollte.
    «Also abgemacht«, bellte Bertie abschließend im Sousa-Marsch-rhythmischen Bundeswehrunteroffizierston. »Siebzehn Uhr. Und vergesst nicht: Immer Gentlemen bleiben!«
    Rüdiger ist ein Depp, das muss mal gesagt werden, auch wenn ich, sein Bruder, es sage. Während Bertie und ich die VSGB ausbaldowerten, verbrachte er seine Zeit damit, einem borstigen Keiler im Dauner Hirsch- und Saupark das Apportieren beibringen zu wollen. Vergebens, wie ich anmerken möchte. Aber eins konnte er echt gut: mit einem Schweißbrenner umgehen. Das war in der heutigen Zeit eigentlich kein wirkliches Talent mehr, da die meisten Safes elektronisch gesichert waren, aber bei so einem alten Geldschrank wie dem in der VSGB konnte Rüdiger mit diesem Pfund noch wuchern. Binnen einer halben Stunde hatte er die Tür so gut wie aufgeschweißt. Bertie und ich standen daneben und schwitzten.
    Und wie wir schwitzten. Es herrschten hochsommerliche dreiunddreißig Grad. Gefühlte sechzig Grad.
    Gut, dass die Bank keinen Feuchtigkeitsdetektor im Parkett hatte. Nicht nur mir lief der Schweiß unter den Hosenbeinen hervor und tropfte auf die Holzdielen.
    Rüdiger und ich trugen unsere alten Konfirmationsanzüge. Meiner passte ja noch halbwegs, aber Rüdiger konnte in der Hose, deren Beine knapp bis zur Wade reichten, kaum atmen. Wenigstens hatte Bertie ihm erlaubt, das Jackett beim Schweißen auszuziehen. Aber die farblich passenden Feinstrumpfhosen, die wir über den Köpfen trugen, mussten wir anbehalten – ebenso wie die Bowler-Hüte – obwohl wir die einzige Kamera in der Bank abgeknipst hatten.
    »Können wir nicht im Winter wiederkommen, wenn es kühler ist?«, keuchte Rüdiger, der Frühaufgeber.
    »Maul, sonst Beule!«, blaffte Bertie.
    Plop
, machte es, und die Safetür fiel Rüdiger entgegen. Er drehte sich um und verzog das Gesicht unter dem Strumpf zur grässlichen Fratze. Ich ging davon aus, dass es sich um ein triumphierendes Grinsen handelte.
    »Gut gemacht«, lobte Bertie. »Und nun
High Tea

    »Ein Hai? Ein Hai?« Rüdiger bekam große Augen.
    Bertie rollte die Stirn ein. »
High Tea
. So nennt man bei den Briten die Teepause am späten Nachmittag. Deswegen haben wir ja einen Imbiss dabei. Wir haben doch einen Imbiss dabei?« Bertie sah mich skeptisch an.
    Ich hob meinen Aktenkoffer mit der Thermoskanne und der Tupperdose hoch.
    »Gut. Auf in die Kaffeeküche.« Wie Moses die Israeliten durch das Rote Meer führte, so geleitete Bertie uns durch die kleine Schalterhalle in die angrenzende Kaffeeküche. Ich nahm den Deckel von der riesigen Tupperdose ab, und der Döppekooche, den Mutti für uns gemacht hatte, breitete sein kartoffeliges Aroma aus.
    »Was soll das denn sein?«, nölte Bertie.
    »Döppekooche«, sagte ich, zog die Strumpfhose bis zur Nasenspitze hoch, fischte eine Plastikkuchengabel aus der Innentasche meines Jacketts und gabelte mich durch die knusprige Kruste.
    »Und wo sind die Gurkensandwiches?« Bertie lief krebsrot an. »Wenn es historisch korrekt sein soll, müssen es Gurkensandwiches sein!«
    Ich zuckte mit den Schultern. Rüdiger, mittlerweile strumpflos, wühlte in dem leeren Aktenkoffer. Wie ein Welpe. Ein Zwei-Meter-Welpe, der hundertfünfzig Kilo wog. »Gar kein Kompott?«, fragte er enttäuscht.
    Bertie blickte finster. »Das ist ein
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