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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel
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bei diesem Wind. Und nicht während der Woche. Da ist hier ja keiner. Haben Sie doch selbst gesehen. Am Wochenende, da tummeln sich hier die Touristen ...«
    »Ja, ja, aber ging es nicht weniger brutal?«
    Johann entgegnete entrüstet: »Im Mittelalter war man so.«
    »Ist ja schon gut«, winkte Peter ab.
    »Sie hätten mir das auch sagen müssen. Sie haben nur gesagt, machen Sie es so, dass es in die Umgebung passt.«
    »Ja. Ja.«
    »Und das habe ich.«
    »Ja. Ja.« Peter sah wieder zu dem weißen, runden Turm hinauf. Die Fahne flatterte.
    Er musste die Polizei rufen.
    Seine Frau war schon seit Stunden weg. Von ihrem kleinen Rundweg einfach nicht zurückgekehrt.
    Hoffentlich hat sie sich nichts angetan, so depressiv wie sie neuerdings manchmal sein konnte.

Meschen
von Jörg Maurer
    Ich bin Professor für Vergleichende Religionswissenschaften und Autor einiger Bücher über apokryphe, also von der Amtskirche nicht anerkannte Bibelstellen. Wenn ich aus dem östlichen Fenster meiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Trier sehe, habe ich einen wunderschönen Blick auf die sanft geschwungenen Ebenen der südlichen Ausläufer des Meulenwaldes. Ganz in der Ferne kann man bei gutem Wetter den Kölner Dom erkennen, sagt der Wärter, aber er macht wohl eher Spaß. Oder es war noch nie gutes Wetter. Ich habe noch ein paar Jährchen abzusitzen und die Geschichte, wie ich hier hereingeraten bin, ist eine literarische.
    Ja, Sie haben richtig gelesen, eine literarische. Die Ursache meines Untergangs ist eine abgegriffene Metapher.
Concetto
sagt der Italiener dazu: Die weithergeholte und dann bis zur Ärgerlichkeit abgegriffene Phrase. Ein schönes Beispiel dafür ist der Satz:
    Da fliegt ein Schwarm Spatzen auf, wie von einer Schaufel hochgeworfen
.
    Beim ersten Mal findet man das Bild noch halbwegs hübsch. Dann liest man es nacheinander bei Edgar Allan Poe, bei Ernest Hemingway, sogar bei Kafka, Camus, Cervantes – und irgendwann gähnt man nur noch gereizt. Liest man die Spatzenmetapher, so wie ich, dann auch noch bei William Wordsworth, jaja, bei dem großen romantischen Dichter –
    ...
Hush! A little flock of sparrows
,
    throwed in the air by the black shovel
...
    – und bei Arno Schmidt –
    ...
schäuflings in’n Wind geschilpt, der SpärlyncksHauffn
...
    – dann schwört man sich, das nächste Buch, das solch eine Wendung birgt, aus dem Fenster zu werfen. Nicht etwa im übertragenen, figürlichen Sinn, sondern, sofern es Juni und das Fenster geöffnet ist, im wörtlichen, rücksichtslosen Sinn. So groß kann der Zorn eines Lesenden sein.
    Bei mir
war
es Juni, das Fenster
war
geöffnet, und ich saß in der Klosterbibliothek der Abtei Himmerod in der Vulkaneifel. Durchs Fenster hatte ich eine herrliche Aussicht auf die nördlichen Ausläufer des Meulenwalds. Der Bruder Bibliothekar hatte mir gesagt, bei schönem Wetter könne man bis Basel sehen, aber das war wohl eher ein klösterlicher, also jahrhundertealter Scherz. Ich las in einer mittelalterlichen Bibel, einer Originalhandschrift aus dem 5. oder 6. Jahrhundert nach Christus, und jetzt ahnt man die Schlusspointe natürlich schon. Ich studierte im Markusevangelium eine Stelle, die ein mittelalterlicher Mönch ins Lateinische übertragen hatte. Die Stelle war ausgesprochen apokryph, also von der Amtskirche auf keinen Fall anerkannt, es war auch miserables Küchenlatein, trotzdem:
    ...
usque Maria et Josephum cedint in directio Bethlehemensis et multi sparrobis avisses
(ich traute meinen Augen nicht!)
quem cubatissem cum spatum
...
    Ich nahm die Bibel und warf sie aus dem Fenster des Bibliotheksgebäudes. Es war eine sündteure Handschrift, und ich hatte dafür eine Sondergenehmigung beantragen müssen. Obwohl der Zorn groß gewesen war, bereute ich meine Tat natürlich sofort, ich lief zum Fenster und sah, dass die Bibel auf dem breiten, schrägen Fenstersims liegen geblieben war, sie rutschte nun langsam nach unten. Ich griff mit der Hand hin und versuchte sie festzuhalten, konnte das Buch jedoch nicht fassen, es rutschte weiter. Ich sah hinunter in den Hof der Bibliothek, dort hatten Bauarbeiter eine große Wanne mit ungelöschtem Kalk vorbereitet, in die die Bibel zu fallen drohte. Ich hastete die Treppen hinunter. Dabei fiel mir ein, dass ich einmal sogar eine Beziehung gelöst hatte wegen der unseligen Vögel. Sie war Italienerin und hieß Frederica. Man muss sich das so vorstellen: Eine laue Mondnacht in einem Florentinischen Garten, im Giardino di Boboli,
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