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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg)
Autoren: Tatort Eifel
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von der einen Torwand zur nächsten. In seinen hellen Locken stand die Sonne. In seiner Stimme klang das Echo mit. »Heute ist eine gute Sicht.«
    Das stimmte. Aber der Wind war heftig und kalt und pfiff durch das Tor. Anja musste sich fest dagegen stemmen. Johann stand da wie ein Fels in der Brandung.
    Am geschlossenen
Café Eulenspiegel
vorbei betraten sie die erhöht liegende Burganlage. Hier verwandelte sich der Wind in einen Sturm, jagte in verschiedenen Tonhöhen an den Gemäuern entlang. Mal klang er wie ein spitzer Schrei, mal war da ein dunkles Brausen zu vernehmen, er konnte aber genau so gut zischen und toben.
    Auf dem Weg zum Burgfried klang er plötzlich wie ein Wimmern, das begleitet wurde von einem Rasseln und Klirren. Ehe Anja den Fuß auf die unterste Stufe setzte, sah sie sich furchtsam um.
    Für einen Moment schien es ihr, als klammerten sich im unteren Teil zwei Hände um eines der Eisengitter. Direkt hinter ihr. Voller Grauen wandte sie sich ab, das konnte nicht sein, die Fantasie ging mit ihr durch, und sie sah doch wieder hin. Waren das nicht weiße Fingerknöchel? Kam von dort nicht auch das Wimmern? Sie musste nachsehen.
    Johann war gerade aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Anja lief an das Eisengitter heran, bückte sich und versuchte etwas zu erkennen. Die Hände rüttelten weiter, das Wimmern verstärkte sich. Die Umrisse eines schmutzigen Gesichtes im Halbdunkeln ... o Gott! Nein!
    »Peter!«, schrie sie und fiel auf die Knie. Sein Mund war zugeklebt, seine Augen weit aufgerissen. Er lag auf den Knien, wie sie, nur eine halbe Etage tiefer. »Peter!«
    Hilfe! Johann! Wo steckte er nur? Das Cafe! Nein, es war doch geschlossen. Aber die Kirche. Der Pastor. Sie musste irgendwo klingeln ... wieso hörte das Wimmern niemand außer ihr?
    Ein Tritt ins Kreuz und sie fiel vorne über. Hände griffen nach ihr, zogen sie hoch und stießen sie weg. Aus den Augenwinkeln sah sie etwas Metallenes schimmern. Als sie sich mühsam aufrappelte, stand sie vor einem Ritter in mittelalterlich langem Kettenhemd, Helm mit Nasenschutz, Schild mit dem Wappen und Lanze.
    »Johann?«, fragte sie mit verängstigter Stimme und presste sich gegen die kalte Steinmauer.
    Er stieß sie wortlos Richtung Turm, die Steinstufen hinauf, in den runden Burgfried hinein, die gewundene Holztreppe empor. Sie stolperte vor ihm her alle Etagen hoch. Halb auf Händen, halb auf Knien. Er schepperte hinter ihr wie ein riesiges Ungetüm. Anja redete ohne Unterlass, flehte und bettelte, beschwor und versprach.
    Endlich wieder Tageslicht. Sie hatten einen weiten Blick übers Land von der letzten Plattform aus. Die Sicht war wirklich gut. Anja warf sich über die Brüstung und schrie »Hilfe! Hilfe! Hilfe!« in die menschenleere Umgebung. Die stillen Hügel lagen wie ein grünes Meer zu ihren Füßen.
    Als ihr der Ritter die Lanze in den Rücken rammte, spürte sie den Stich zwischen den Rippen und hatte das Gefühl zu zerbrechen, aber es tat nicht so weh wie der Gedanke, dass Peter da unten im Verlies hockte. Würde ihn jemals jemand dort finden?
    Es war wie Achterbahnfahren, als der Ritter ihr den Boden unter den Füßen entzog und sie kopfüber den Burgfried hinunter stieß. Dabei war sie nie in ihrem Leben Achterbahn gefahren. So musste es sein. Es war eine kurze Fahrt, an deren Ende das Licht erst ganz grell wurde, ehe es ausging.
    Peter klopfte sich den Dreck von der Hose und rieb sich die Hände sauber. Sie klebten. Johann schloss das Verlies wieder sorgfältig hinter ihm ab. Es hatte furchtbar darin gestunken. Viel länger hätte er es nicht ausgehalten.
    Anja lag nicht weit von ihnen auf den Pflastersteinen der ehemaligen Küche. Arme und Beine weit von sich gestreckt, als sei sie auf ein Rad gespannt. Peter wollte nicht sehen, wie ihr Gesicht jetzt aussah. Hätte sie ihn doch nicht immer wegen der Kinder bedrängt.
    Bevor Johann, wieder in T-Shirt und Jeans, auf dem Parkplatz vor der Grundschule in sein Auto stieg, steckte Peter ihm das Geld zu. Es war weniger, als ihn ein Kind gekostet hätte. Bei den Studiengebühren heutzutage. Von einer Scheidung ganz zu schweigen. Weitaus weniger. Er hatte das durchgerechnet. Die Kosten für die Miete der Ferienwohnung einkalkuliert.
    »Ich dachte«, sagte er ein wenig nachdenklich und sah sich noch einmal nach dem Burgfried um, »Sie würden es anders machen.«
    »Ja?«
    »Weniger auffällig, meine ich. Es hätte jemand merken können.«
    Johann zog die Mundwinkel verächtlich hoch. »Nicht
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