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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Parlament erklärte zynisch ein Vertreter der Werkherren, den man geladen hatte, er lehne es ab, zu verhandeln oder die sogenannt öffentlichen Institutionen anzuerkennen. Dies Parlament sei vom sogenannten Volk gewählt; er kenne nur Werkherren und ferner Arbeiter und Ausgehaltene. Man möge den Ministern untersagen, vom öffentlichen Wohl zu reden; das seien Dinge, von denen ein Minister nichts verstehe.
    Am Tage drauf wurden die Minister dieses Landes beiseite geschleppt. Das Heer war längst in der Hand der großen technischen industriellen Gruppen. Es bestand, wie überall in Europa, aus jungen Menschen, die aus den Fabriken Werkstätten stammten, in denen sie die Herstellung und Bedienung ihrer Waffen erlernt hatten. Sie hatten nur Ehrfurcht vor den Männern und Frauen in den Werken, faßten nicht, was die sogenannten Politiker taten. Die Massen in den Städten rebellierten nicht; wurden rasch beruhigt. Sie waren alle selbst innigst nur an die Maschinen gebunden, verlangten Luxus Brot und freie Bahn für die Kräfte der Maschinen. Die politischen Ministerien wurden zur Durchforschung ihrer Arbeit von den technischen und Industriezentralen beschickt. Dann wurden die Baulichkeiten für andere Zwecke verwandt. Die Wohlfahrtseinrichtungen wurden der Arbeitsüberwachungsund Verteilungsstelle der großen Verbände angegliedert. Der Verkehr mit anderen Staaten war schon vorher im angelsächsischen Imperium vertrauliche Sache der großen Verbände.
    Ungeheuer wirkte der in Belgien fast lautlos sich abspielende Vorgang auf die Nachbarstaaten. Es verlief kein Jahrzehnt, da hatten freiwillig oder unfreiwillig, zum Teil dem Druck Englands folgend, die politischen Regierungen, die nur hemmende und dekorative Rudimente waren, den Industriekörpern Platz gemacht. Scheinparlamente, bedeutungslose ordnende Selbstverwaltungskörper liefen neben ihnen her. In den großen Reservoirs der Menschen, den Stadtreichen Stadtschaften, bildeten sich Senate, deren Hauptsitz die Menschen der Apparate einnahmen.

    DIE STADTSCHAFTEN lagen frei da. Aber unsichtbar umgab sich jede mit einem System von Verteidigungsanlagen. Die Peripherie der unübersehbaren Gebiete von Bergen und Niederungen Flüssen Seen Sümpfen, überrieselt wie mit einer Zuckerglasur von flachen Häusern, kilometerlangen Werken, dichten und lockeren Menschensiedlungen, war überall unscheinbar umzogen mit Reihen von Masten aus Holz. Sie standen ohne Verbindung miteinander im Gelände, glichen abgeästeten sehr hohen Pappeln. Sie schienen Wegweiser zu sein, trugen Tafeln von Straßen, maskierten sich als Telegraphenstangen. Im Innern waren die Masten hohl und als Eingeweide trugen sie Bündel meterlanger zusammengebogener elastischer Metalldrähte. Die Masten waren auf Granitplatten montiert, welche das Endstück eines Kabels enthielten. Die Metalldrähte waren verschieden geformt. Das Drahtbündel konnte durch eine Schalterbewegung in der Stadt aus dem Mast heraus in die Höhe geschnellt werden. Wie ein lebendiges Band konnte es sich steif in die Höhe strecken, und im Moment, wie es aufrecht stand, warf es einen tötenden Wirbel von Strahlen um sich.
    Die Stadtlandschaften hatten, was wenige wußten, Verteidigungswerke und Abwehrgürtel schon in der Zeit vor dem Uralischen Krieg.
    Die Beherrscher der stärksten Industrieanlangen und Riesenwerke hatten sie in geheimer Gemeinschaft mit den Senaten angelegt, als die einzelstaatliche Gewalt in dem europäischamerikanischen Völkerverband erlosch und in Südamerika, in dem ehemaligen Griechenland, in Kapland Südfrankreich, zuletzt in Dänemark militärische anarchische Gebilde hochschossen. Die Rebellionsschläge ängstigten die Kontinente.
    Mit Bangen erfuhr man von der geradezu höhnenden Leichtigkeit, mit der der Franzose Bourdieu, ein einfacher Techniker, sich des Mittelmeerzentrums Marseille bemächtigte. Im Nu waren Tausende, aus dem Dunkel der Städte auftauchend, wie magisch gerufen um ihn versammelt gewesen. Er hatte nichts getan als eine Anzahl krafterzeugender Fabriken und Sammelstationen mit einer Handvoll trotzigen Gesindels besetzt. Aus den Stoffen, die die Zeit lieferte, verstand er im Augenblick furchtbare Abwehr- und Angriffswaffen zu schaffen, die herzustellen man bisher keine Veranlassung gehabt hatte. Er gab das erste Beispiel einer systematischen Störung der den Erdball umlaufenden Verständigungsapparate. Schlag um Schlag hatte er nun, im geheimen arbeitend, die Siedlungen und Wirtschaftsanlagen der
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