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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Gestalt. Die Bilder standen vor ihnen, traten immer wieder vor sie, rissen an ihnen. Daß sie sich vom Wasser lösten, aus der einwiegenden Hitze drängten. Wie eine Schaufel unter einen Steinhaufen, der am Boden liegt und bemoost ist, drang die Erregung knirschend unter die Menschen, hob sie an, zerstreute sie.

    DIE ALTEN politischen Staaten bestanden noch dem Namen nach. Wie die Hautfarben, die Gesichter arabisch ägyptisch negerhaft sich veränderten, die Sprachen zu einem Kauderwelsch wurden, in dem sich nördliche und südliche Zonen berührten, so verloren die Staaten ihren alten strengen Charakter. Eine fast gleichförmige Menschenmasse bevölkerte das Gebiet von Christiania bis Madrid und Konstantinopel. Wie im Sprachlichen so überwog hier die, dort die Art.
    Langsam war in zwei neuen Jahrhunderten der westliche Völkerkreis unter das Imperium London-Neuyork gekommen. Das angelsächsische Imperium war es, in dem sich die Ströme dunkler grauer schwarzer brauner weißer Menschen miteinander langsam mischten. Dann zermorschten die politischen Gewalten. Als die Apparate und Erfindungen sich häuften, wuchs der allgemeine Reichtum. Eine Erleichterung, Abkürzung fast aller Tätigkeiten trat ein. Zugleich zeigte sich die Gefahr dieser Menschheitsperiode, deren Ungeheuerlichkeit sich erst nach weiteren Jahrhunderten entfalten sollte. Man bedurfte nicht vieler Menschen für die Apparate. Der Krieg früherer Zeiten ernährte sich selbst; jetzt konnte man die Menschen nur in Bewegung erhalten durch immer neue Erfindungen, die den Niederbruch alter Industrien, den Aufbau neuer mit sich führten. In einer Erschlaffungsperiode, als man von den Entdeckungen der vergangenen Jahrzehnte lebte und sie sich ungehindert auswirken ließ, setzte die erste große, nicht lärmende Katastrophe ein. Die Besitzer der Werke Erfindungen, denen die Reichtümer zuströmten, streckten zuerst, um die Menschen festzuhalten, die Arbeiten, fügten Zwischenarbeiten ein, ja legten wichtige Maschinen still, um Arbeit zu schaffen. Sie entwickelten für Aufsicht, Berechnung eine ungeheure völlig luxushafte Bureaukratie. Aber all diese krampfhaften ängstlichen und hilflosen Maßnahmen genügten nicht. Die Betriebe wurden fast erdrückt, aber noch stärker war der Zustrom der Menschen, die sich in den Städten versammelten. Die Beherrscher der Apparate wußten nicht mehr, wie sie den Schein der Arbeit aufrechterhalten sollten. Sie wußten nicht, ob sie ihre technischen Gefährten und Wissenschaftler zu neuen Erfindungen anspornen sollten oder nicht vielmehr selbst ihre Betriebe demolieren. Mit Grauen sahen sie die Reichtümer auf sich zufließen; ein sonderbares Schuldgefühl drängte sie, die Güter von sich abzulenken. Sie kämpften entsetzt mit der Technik, die über sie hergewachsen war, und mit den Menschen, deren Zahl und Furchtbarkeit wuchs. Es gab eine Zeit, wo die Industrien erst selbständig, dann mit Hilfe des Staates ein riesiges alle umspannendes System der Geld- und Warenverteilung organisierten. Das waren die freiwillig von den Industrien abgeworfenen Güter. Die Industrien ernährten den Staat, aber versteckten sich. Es war, als wollten sie Entscheidungen aus dem Weg gehen und sich loskaufen. Dann wuchsen sie in ihre Rolle hinein. Als Gelder und Waren aus ihren Becken wegschwammen, fühlten sie, wer sie waren und was sie hatten. Eine kleine Anzahl Industrieherren warf, unfähig die Verantwortung zu tragen, die Werke dem Staat in die Hände. Die Mehrzahl aber griff in die schon automatisch laufende Verteilungsmaschinerie. Mit zwei drei Zügen kämmten sie ihre gewaltigen Anlagen fast menschenleer. Sie wollten eine Regelung der Zuwanderung, selbständige Bestimmung über die Verteilung der Güter. Da auch der Staat und die politische Regierung nur durch sie lebte, wollten sie Macht über die Regierung. Während Hungersnot Menschenflucht einsetzte, stapelten die Maschinenherren Geld und Waren auf. Die Regierungen traten hervor. Sie wollten sich der gefahrdrohenden fluktuierenden Massen annehmen. Diesen Augenblick hatten die Industrien erwartet. Sie lehnten das alte Almosensystem ab. In allen Staaten näherten sich die politischen Machthaber den Industrieherren. Wie einen abgemagerten Fuchs hatten sie die Regierung aus ihrem Bau aufgestöbert. Es gab, wie man sich offen, der Besitzende und der Ausgehaltene, gegenüberstand, kein Halten mehr. Im Belgischen, in Brüssel, wurde zuerst der Schlag geführt, der längst erwartet war. Im
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