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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Boden die harten Steine zu ziehen und zu wälzen. Und während er trug, wußte er, was sie taten: sie trugen Steine zusammen zu einem Zeichen für die Giganten. Gegen Abend war der hohe breite Haufe fertig. Die Siedler verließen sie. Zwei Tage lagerten Hojet Sala und Ten Keir bei dem großen steinernen Denkzeichen in der Lichtung. Dann bewegte sich der Langbärtige, faßte den andern bei der Hand: »Wir wollen jetzt weiter, Ten Keir.« Sie gingen auf Brüssel zu. Vor der Steinwüste legte der Islandfahrer zum Abschied den Arm um die Schulter des andern: »Hier ist Brüssel, Ten Keir.« Der hielt seine Hand fest: »Nicht Ten Keir. Tauschan Dagh hast du gesagt. Laß mich nicht allein. Wir wollen um die Stadt herumgehen.« Sie umschlangen sich.
    Die Diuwa, glanzäugig milde, fuhr auf einem Ochsengespann im Winter durch die schneeflatternden Landschaften, suchte in der Pariser Gegend Hojet Sala. Wollte ihm danken für den Schutz der südlichen Siedlungen, sie litt auch um Venaska, die er bei Lyon verjagt hatte. Die volle Frau mit dem schweren roten losen Haar vermochte aber nicht zu klagen. Hojet Sala ging auf den beschneiten Feldern neben ihr. Vor Kindern stand er, lachte mit ihnen, knackte trockene Zweige, sah träumerisch Krähen nach, wiegte halb scherzhaft die Arme, als wollte er mit ihnen fliegen. In seinem Häuschen sang er oft feierlich morgens wie die britischen Siedler. Er faßte auf dem Feld einmal die Diuwa bei den kalten Händen an. Ob sie ihm vorwerfen wolle, daß er nicht genug auf Schmerz sehe, daß er keine Menschen quäle, sie nicht mehr ins Feuer schicke. »Ich habe den Schmerz nicht vergessen. Wir haben die Giganten im Gedächtnis. Es sind überall Steinzeichen zu ihrer Erinnerung errichtet. Und zu ihrer Feier; sie waren gewaltige Menschen. Wir haben auch das Feuer. Es ist uns nichts entschwunden. Wir müssen dies festhalten. Diuwa, das Land nimmt uns, aber wir sind etwas in dem Lande. Es schlingt uns nicht. Wir haben keine Furcht vor der Luft und dem Boden. Kennst du, Diuwa, Ten Keir? Du kennst ihn. Er ist still geworden. Er weiß, wir haben die Kraft, das wirkliche Wissen, und die Demut. Er ist mein Freund. Er hat unser Zeichen genommen und geschworen, nicht von mir zu gehen. Warum? Er sieht, wir sind reicher und stärker geworden. Wir sind die wirklichen Giganten. Wir sind es, die durch den Uralischen Krieg und Grönland gegangen sind. Und wir, wir sind nicht erlegen, Diuwa. Du kannst an der Garonne und an der Rhone erzählen, was ich sage. Man wird uns bald auf der ganzen Erde sehen.«
    Er senkte die Augen, saß auf einem Feldstein, hüllte sich bis an den Hals in sein Lammfell. Er pries Venaska; sie wäre verschwunden und wäre nicht verschwunden. Wenn er durch das Gebüsch an der Seine gehe, wisse er, wo sie verschwunden sei. Es werde alles aufbewahrt. Hojet Sala griff mit der Hand in die eisige helle Luft: ihm schiene, die große Urmacht, die sie verehrten, hätte die Giganten auf Cornwall weggerafft und sie hätte sich Venaskas bedient. Denn es ist keine tote Macht, sondern ein wissendes schwelgerisch tiefes Wesen. Diuwa, die sanfte Frau, drückte sich das lose Haar an der Schläfe fest. Sie sah den Langbärtigen, wie er aufrecht saß, ernst war, sie voll anblickte, lächelte. Sie faßte sich ans Herz: es war etwas von Venaska an ihm.
    Dem neu aufgeschlossenen ährenwiegenden weiten Land von der belgischen Meeresküste über die Seine bis zur Loire gab Hojet Sala den Namen Venaska.
    Die fleischernen blühenden welkenden Menschenwesen lagen über dem südlichen Faltenland Europas, den Schollen des Westens mit seinen uralten Massiven, den jungen Tiefländern, den ebenmäßigen schwarzen Schichten der russischen Tafel. Gebirgsmassen Höhenzüge Senken bewegte die Erde unter ihnen und um sie. In Strömen zog das weiße Wasser hin, füllte Seenbecken. Braune und grüne Pflanzengeschöpfe drangen aus dem Boden. Büsche und Wälder bauten sich längs der Donau auf, längs des Dnjepr und Don. Urwälder und Moraste von der atlantischen Küste bis zu den südlichen Pusten. Auf ihnen girrten schluchzten starben Feldblumen Gräser Vögel. Über die Flächen krochen schwammen mit nackten schuppigen behaarten Leibern Tiere, gaben nicht Ruhe um sich zu greifen, aufzunehmen, sich zu entleeren. Bis der Boden, das wandlungssüchtige Wasser, die verzehrende Luft sie ganz wieder hatte. Die Scharen der Menschen in Ruhe und Tod, in Werben und Brautkämpfen, unter Vulkanausbrüchen und Ertränkungen. Hielten sich
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