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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Dinge, die die Menschen geschaffen haben. Da liegt alles zertrümmert. Triumphiert.« »Ten Keir, wie quälst du mich. O wie du mich quälst. Was hat die Giganten umgebracht? Es trieb sie, sich selbst zu vernichten.« »Damit beschwichtigst du dich nicht und mich nicht. Sie wollten sich nicht vernichten, das sage ich dir. Ein Fehler, ein Irrtum, eine Schwäche muß sie auf Cornwall umgerissen haben. Sie hatten sich übernommen. Aber dir sage ich: gesteh es, blick mich doch an. Du gehörtest zu uns, du, und zu ihnen. Besinn dich auf dich. Kylin, denk an dich. Ich bereue, daß ich nicht Delvils Freund geblieben bin und ihn hab hinsterben lassen. Wir bereuen. Du auch. Hilf, was noch zu helfen ist. Es ist kein Mensch so verzweifelt gestorben wie ich, wenn ich jetzt sterben muß, ohne Rettung gesehen zu haben. Denk Kylin, was wir besaßen. Niemand war diesen Dingen gewachsen. Weil sie in Räuberhände fielen, in mißbrauchende Hände, waren sie nicht weniger unerhört. Und groß, und unser. Die Giganten hatten den Schleier; sie haben ihn in Wut und Rachsucht verwandt. Sie haben an sich selbst gebaut, Angst wurde mir, aber jetzt fasse ich, es war das Stolzeste, Menschenwürdigste das jemals geschah. Es ist jetzt hin, zertrampelt. Aber vielleicht, vielleicht Kylin, nicht zu spät. Sie konnten es nicht beherrschen, es kam zu rasch, immer muß Lehrgeld bezahlt werden. Ach Kylin, wir haben dich nach Grönland geschickt, um einen neuen Erdteil zu schaffen. Was war schon Meki für ein Erdteil, den wir geschaffen haben. Und du. Jetzt weinst du.«
    »Nicht um die Giganten. Komm von den Trümmern herunter.« »Ich will deine Menschen nicht sehen. Weil ich mich ihrer schäme, sitze ich hier.« »Komm von den Trümmern, Ten Keir. Du siehst, ich weine. Du wirst nicht feige sein. Verkriech dich nicht auf Mörtelhaufen, zwischen verbogenes Eisen, verhungere nicht zwischen dem weißen Kalk. Bist du noch Ten Keir? Soll ich dich nennen. Du bist Tauschan Dagh, Hasenberg.« »Ich werde sterben.« »An der Berührung mit mir, fürchtest du daran zu sterben? Komm zu mir.« Der vertrocknete kleine, in der Sonne bebende Menschenleib wand sich herunter von den rieselnden klappernden Steinen: »Da bin ich, du.« »Bleib bei mir.« »Komm, Kylin, ich werde dich führen.«
    Einen Tag gingen sie, einen zweiten dritten, nach Norden, durch die Dickichte und Siedlungen. Nachts wimmerte Ten Keir; er weinte um die Giganten. Beim Gehen blickte er nicht um sich. Das große schwarzgrüne Wasser kam, die Nordsee. »Abschiednehmen. Es gibt keine Rettung. Auch für dich nicht. Hier wollte ich hin. Ich nehme Abschied von dir, Kylin.« Mit gesenktem Kopf stumm stand Hojet Sala, als der hinfällige Mann sich von ihm löste, sich über den windgeworfenen Sand schleppte. Vor den klatschenden anbrausenden Wellen blieb er. Er stand. Stand. Plötzlich rutschte Ten Keir in den Sand, lag auf der Seite. Nach einiger Zeit zog ihn der andere an der Schulter, hauchte: »Du. Ten Keir.« Der: »Nicht anfassen. Weg.« Hojet Sala zog seine schweren Füße die Dünen hinauf, bis er den andern nicht sah. Nach einer Stunde trug er sich wieder an das langsam anwallende Meer, das sich violett und schwarzblau überzogen hatte. Ten Keir, ein kleiner schwarzer Haufe lag in dem Sand. Still setzte sich Hojet Sala neben ihn. Der kleine richtete nach einer Weile den Kopf hoch, zuckte, setzte sich auf, schwieg, das Gesicht in die Hände gedrückt. »Du hältst mich für feige, Hojet Sala. Bin ich so erbärmlich. Ich kann nicht hier hinein. Es ist das Wasser, das sie verschlungen hat. Das hat die Giganten verschlungen.« »Komm fort, Ten Keir, du hast hierher gedrängt. Ich leide sehr. Begnade auch mich. Bleib nicht zu lange liegen.« Wimmernd, oft sich hinsetzend, oft die Fäuste vor den Augen, meist schlaff, folgte der ausgemergelte hohläugige dem langbärtigen Hojet Sala.
    Sie wanderten zurück durch den Bereich der nördlichen Siedlungen. In einem Wald, in dem man rodete, lagen gefällte abgeschälte Tannenstämme. Da setzten sie sich nebeneinander. Hojet Salas Gesicht war nach dem Boden gekehrt, überwölkt verschlossen. Am späten Nachmittag rief er Siedler in der Nähe an, die ihn erkannten. Sie sollten für ihn Steine auf häufen mitten in der Lichtung. Er half mit, die schweren Blöcke, weiße und dunkle, heranzuschleppen. Ten Keir sah ihm eine Weile zu. Wie ihre Blicke sich begegneten, nickte Hojet Sala: »Ja. Hilf mit.« Und der zerlumpte fühlte sich bewogen aufzustehen, aus dem
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