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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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schlossen sie ein. Venaska war glücklich in ihrer Liebe und schluchzte vor Verlangen.
    Während sie ermüdete, Schritt für Schritt ging, von dem Lande umfaßt, streckte sie die Arme nach Norden aus. Die Tränen stürzten aus ihren Augen. Die Tränen liefen der Venaska voraus, fielen auf die Schultern der Giganten.
    In Cornwall standen, stumme Gebirge, die Giganten im Halbkreis vom Bodminmoor bis nach Exmoor im Norden. Die Erde um sich hatten sie ausgehöhlt, Felsen und Wassermassen in sich aufgesogen. Mit Erzquadern wurzelten sie in den Gabbromassiven der Tiefe. Grüne Hornblendenädelchen durchwuchsen ihre Füße, schwarzbrauner Olivin, eisendurchzogen, schob sich bis an ihre Brüste herauf, ein steinerner Mantel. Die Strahlenträger, die gesponnenen Netze, hielten sie vor sich auf der Brust, gleichmäßig alle grünschwarzen zerklüfteten wasserüberflossenen Gesichter nach Nordwesten auf das Meer gerichtet, das Meer aufzureißen, den Meeresboden aufzuschmelzen, die Flamme die Lava hervorbrechen zu lassen, Länder zu verschütten. Keine jauchzende Wildheit Krampf war mehr in den Wesen. Die Gebirgsströme brausten durch sie. Die Erdmasse lähmte sie, wollte sie vergewaltigen; sie mußten mit allen Seelenkräften anringen, um nicht zu versinken.
    Das Meer, die grünen Wasservölker waren längst von der Cardiganbucht über Wales hingesprungen, durchtobten den Bristolkanal, schäumten bis zu den Füßen der steinernen Kuraggara im Norden. Tag und Nacht wallten vom Atlantischen Ozean mit Wut die ungeheuren hinpeitschenden Wogen an. Irland überdonnerten sie in ganzer Breite. Rasend stieg die Flut von Nord herunter, eine meilenbreite von schwarzen Gewittern überlagerte Straße schiebend, wühlte gegen Cornwall. Jenseits der Hebriden rissen die Wellen dampfend auseinander, entließen gähnend Dunstwolken. Neue Massen schwemmten herüber, kochten füllten die Spalten. Heller und heller von einer unsichtbaren Quelle wurde es von Woche zu Woche über der brandenden Kampfstraße. Durch Glimmen und Dämmer fuhren unaufhörlich die Blitze. Endloser Regenguß, brüllen der Donner.
    Auf Cornwall, die Erde einziehend in ihren Leib, Flüsse aufsaugend, rangen die Giganten mit ihrem Bewußtsein. Zu dem Brüllen des Donners gesellte sich ihr tiefes Grunzen Röcheln. Das Bewußtsein wollte ihnen schwinden. Und wenn einer stöhnte, stöhnten die anderen mit, um ihn durch ihren Lärm zu erwecken. Delvil, die Dartmoorwaldungen auf seinem Rücken, bewegte nur noch die Augenlider. Die Kiefern und Tannenstämme, lose durch seine Adern strudelnd, bohrten sich durch die rauchschwarze Haut. Die Felsen wie in einem Trichter in ihn schwemmend, packten sich an seinem Hals hoch. An seinen Schultern, an der Brust trieben sie Kanten vor, waren Abhänge Klüfte, in dem sich das gischende Wasser verfing.
    Und im Sturm, wie er stand –, woran dachte er, wollte sich erinnern – brannte ein Schmerz an seinem Nacken. Er achtete nicht darauf, sein bewaldeter seenwiegender Kopf sank tiefer. Da zuckten seine Finger, der Arm krümmte sich, es brannte im Nacken; welch Schmerz. Er tastete nach hinten. Etwas rief. Von wo rief es. Er murrte. Venaskas Tränen stürzten gegen seine Schultern, seinen Hals entlang. Ein Rufen: »Delvil Delvil Delvil.« Über ihn hin dachte es: es ruft mich bei Namen. »Delvil. Delvil.« Mit den Tränen kam der Schrei. Seine Finger tasteten hinein, warm waren sie; über seine Schulter rief es durch das Gewitter: »Delvil. Hilf mir doch. Ich bin im Gras verwikkelt. Ich will zu dir.« »Sie ruft mich bei Namen. Immer der Name. Der Name. Es ist wie damals, als Marduk entkam.« Er brütete erregt, stöhnte: »Ich muß den Schleier halten.« Die Tränen sammelten sich kitzelnd brennend hinter seinen Ohren. Es klagte; hörten die andern es nicht. Arme griffen über seinen Mund. Das waren Arme, über seine Augen. Er bewegte den Kopf keuchend rückwärts; ein heller Schreck durchfuhr ihn. »Delvil, ich kann nicht zu dir. Was stehst du hier. Heb du mich, süßer Bruder.« »Oh«, bäumte er sich, grunzte hohl, »weg von mir« und stöhnte mit den übrigen: »Die Steine. Es sind die Steine die Bäche. Sie nehmen mir das Bewußtsein.« Das Gewitter prasselte, Schwärze, glühender Strahl. Er preßte den Schleier. »Meine Arme halten dich. Nun sind sie doch froh bei dir zu sein. Ich komme bald; nichts soll mich zurückhalten. Du bist mein Blut. Nach dir habe ich Sehnsucht. Sehnsucht, Delvil.« Es zuckte züngelte durch sein Gehirn. Es trieb
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