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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Rhone Venaska! Ich habe nicht mehr an dich gedacht.« »Hojet Sala. Ich gehe hier herum. Du hast mir gestattet, mit dir zu ziehen.« Er hielt sie am Schleier fest: »Venaska. Ich kann es noch immer nicht glauben. Von der Garonne, von der Loire: Venaska. Du bindest dir einen Schleier um, du zwinkerst mit den Augen. Du mußt die Augen zumachen, die Nase zuhalten.« »Hojet Sala, was sprichst du. Laß meinen Schleier.« »Nein, diesen Augenblick sollst du wenigstens sehen und hören.« »Ich habe immer gesehen und gehört. Vor dir hab’ ich mich versteckt. Vor deinem Anblick. Wie bist du schrecklich geworden.« »Sie leidet. Venaska leidet. Um mich. Es ist nicht nötig um mich. Schämst du dich nicht so zu sprechen. Sprich Liebesworte zu mir; dein Handwerk wird hier auch blühen. Oleanderbäume Feigenbäume der Provence, nicht wahr, das ist nichts gegen dies. Hier ist es süß. Das hier unten neben dir, was so stinkt, ist der Leib und der Mastdarm eines Mannes oder eines Weibes; ich kann es von weitem nicht unterscheiden. Und auf der braunen Haut ausgebreitet: sieh zwei Kinderbeine; aber das Kind fehlt. Venaska, was sagst du zu diesem Kind. Ist die Schnelligkeit des Kindes nicht bewundernswert, die Beine sind dem Kind zu langsam gelaufen, da ist es selbst – mit wem wohl? mit den Giganten gerannt, Rumpf Arm Kopf, hurra, hurra, hopp! Die sehen sich jetzt von der Fußsohle eines Giganten das Meer an, vielleicht schon London. Ein neugieriges witziges Kind. Ein Genie und so früh gestorben! Warum unterbrichst du mich nicht, Venaska; mit Freudenausrufen oder mit einem Gesang. Deine Kehle ist so geschickt darin. Tränen, Tränen, vorwärts.« »Warum wütest du gegen mich? Was beleidigst du mich?« »Du fielst mir nur als ein Farbenfleck in dieser Landschaft auf. Nein, Venaska, du schleichst mit Recht herum, der Schleier ist an seinem Platz. Du bist doch verflucht, siehst du es nicht. Ja, du. Du weißt wohl nicht, was verflucht sein heißt. Sieh dir diesen zermatschten Darm an, die Kinderbeine, die darauf kleben; das waren Menschen, das war ich, ich.« »Ich nicht, ich nicht, ich habe sie nicht zertreten. Hör auf, Hojet Sala. Siehst du nicht, zu wem du sprichst.« »Und weil ich dich sehe, spreche ich so. Ich dich nicht sehen. Daß du es wagst hier zu sein. Hier ist das Grabmal aller menschlichen Würde, du bist das Triumphlied dabei. Unsere Schande führst du uns vor Augen, bei unserer Schande sättigst du dich.« Sie drängte an ihn. Er sank unter dem wilden wütenden Druck ihrer Umarmung in die Knie. Ihre Lippen zitterten, die Augen glühten; seinen Mund suchte sie zu küssen. »Mein Mund. Wäre ich dir gefolgt, wenn es so wäre, Hojet Sala?« Er stöhnte und widerstrebte nicht: »Pfui. Umarmen! Mehr! Küssen. Hinwerfen. Deinen Schoß an meinen. Es ist gut. Was sagst du, daß ich dich nicht kenne. Zeig mir ganz, was ich bin.« »Ich weine mit dir. Ich tue dir nichts. Vergrab dich nicht, Hojet Sala.« »Umarmen, Venaska. Mir nutzt sonst nichts.« Er hatte sich ganz hingeworfen: »Gurre, Venaska! Den dreckigen Boden müßte ich küssen. Von Grönland mußte ich bis Lyon fahren, um von dir enthüllt zu werden. Meine ganze Schande zu sehen. Deinen Schoß her. Unsere ganze Menschenschande.« Sie zog an seinen Armen. Todblaß stand er, knirschte: »Komm mit Venaska.«
    Er schleppte sie zwei Tage durch das grauenvolle Tal, sah sie leiden. Dann ertrug er es nicht mehr. Sie hatte sich nicht verändert, ihre Augen lagen in fast grünlichen Höhlen, sanft war sie geblieben. Da irrte er um den Trichter der qualmenden Erdstadt herum, immer dichter; er schien erst langsam zu wissen, was er wollte. Er trieb sie an eine der gräßlichen Spalten, in denen Verwesungsgase stiegen: »Riech das mit mir, Venaska. Das ist das Bad für uns, bevor wir Hochzeit feiern. Was bist du?« Schmerzlich rang sie an ihm: »Ich bin nicht anders als du.« Sie zitterte kreischte. »Nicht schreien, Venaska. Du bist nicht anders als ich. Zeig es mir.« »Ich tue nicht, was du jetzt willst.« »Doch. Venaska. Du bist wie ich. Du bist mein Leben. Wärst du nicht so schön, so süß. Geh weg. Geh hinunter. Was macht es aus. Keiner von uns ist ja.« »Ich geh’ nicht.« »Erreg mich nicht, Venaska. Reize mich nicht, Venaska. Verhöhne mich nicht mit Liebe. Habe ich nicht zu büßen. Unendlich unendlich zu büßen. Ich sterbe in diesem Gestank. Mach ein Ende.« »Hier hast du mich hergeschleppt. Du willst mich hineinstürzen.« »Nein. Du selbst sollst es tun.
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