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Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Titel: Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten
Autoren: Howard P. Lovecraft
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bin ich an einem Punkt angelangt, wo es mir schwerfällt weiterzuerzählen. Eigentlich sollte ich inzwischen abgehärtet sein; doch es gibt Erlebnisse und Erfahrungen, die sich uns zu tief einprägen, als daß die von ihnen geschlagenen Wunden je heilen könnten, und die lediglich eine so übersteigerte Empfindsamkeit zurücklassen, daß die Erinnerung all das ursprüngliche Grauen wieder heraufbeschwört. Ich sagte, wir sahen mehrere Hindernisse vor uns auf dem polierten Fußboden; und ich muß hinzufügen, daß unsere Nasen beinahe gleichzeitig eine sehr sonderbare Verstärkung des merkwürdigen vorherrschenden Gestanks wahrnahmen, der jetzt ganz unverkennbar mit dem unbeschreiblichen Geruch jener anderen vermischt war, die vor uns hier gegangen waren. Der Lichtschein der zweiten Taschenlampe ließ keinen Zweifel an der Art dieser Hindernisse zu, und wir wagten nur deshalb, uns ihnen zu nahem, weil wir schon von weitem sehen konnten, daß wir von ihnen genauso wenig zu befürchten hatten wie von den sechs ähnlichen Gestalten, die wir aus den unheimlichen sternförmigen Grabhügeln im Lager des armen Lake ausgegraben hatten. Sie waren denn auch tatsächlich genauso unvollständig wie jene anderen Exemplare obschon die zähflüssigen dunkelgrünen Lachen, die sich um sie herum auf dem Boden ausbreiteten, darauf hindeuteten, daß ihr Schicksal sie erst vor ganz kurzer Zeit ereilt haben mußte. Dem Anschein nach waren es nur vier Exemplare, wogegen wir nach Lakes Berichten angenommen hatten, daß die uns vorausgehende Gruppe mindestens acht dieser Wesen umfaßte. Sie in diesem Zustand zu finden, war völlig überraschend, und wir fragten uns, welch unheimlicher Kampf sich hier unten in der Finsternis abgespielt haben mochte.
    Wenn eine Gruppe von Pinguinen angegriffen wird, so setzen sich die Tiere aufs heftigste mit ihren Schnäbeln zur Wehr, und wir konnten jetzt deutlich hören, daß irgendwo in weiter Feme ein Brutplatz sein mußte. Waren diese anderen in einen solchen Platz eingebrochen und hatten sich damit einer mörderischen Verfolgungsjagd ausgesetzt? Die Hindernisse sprachen nicht dafür, denn Pinguinschnäbel hätten dem zähen Gewebe, das Lake seziert hatte, nicht diese fürchterlichen Verletzungen zufügen können, die wir im Näherkommen nach und nach ausmachten. Überdies schienen die riesigen blinden Vögel, die wir gesehen hatten, außergewöhnlich friedfertig zu sein.
    Hatten also jene anderen einen Kampf unter sich ausgefochten, und waren die vier fehlenden die Schuldigen? Wenn ja, wo waren sie? Hielten sie sich noch in der Nähe auf und stellten sie eine unmittelbare Bedrohung für uns dar? Ängstlich spähten wir in einige der glattbödigen Seitengänge, während wir langsam und zaghaft nähertraten. Wie immer der Kampf sich abgespielt hatte, er war es offenbar gewesen, der die Pinguine so erschreckt hatte, daß sie in diese ungewohnten Gegenden geflohen waren. Also mußte er in der Nähe jenes schwach vernehmlichen Brutplatzes in dem unermeßlichen Abgrund entstanden sein, denn es gab keine Anzeichen dafür, daß hier normalerweise irgendwelche Vögel gelebt hatten. Vielleicht, so überlegten wir, hatte sich eine schreckliche Verfolgungsjagd abgespielt, und die Schwächeren hatten versucht, zu den versteckten Schlitten zurückzukehren, als ihre Verfolger ihnen den Garaus machten. Man konnte sich vorstellen, wie die dämonische Schlacht zwischen namenlosen, unheimlichen Monstren getobt und sich von dem schwarzen Abgrund her genähert hatte, gewaltige Scharen kreischender, in höchster Aufregung auseinanderstiebender Pinguine vor sich her treibend.

    Ich sagte, wir hätten uns langsam und widerwillig den ausgebreitet daliegenden, unvollständigen Hindernissen genähert. Wollte der Himmel, wir hätten uns ihnen überhaupt nicht genähert, wären Hals über Kopf davongerannt aus diesem blasphemischen Tunnel mit dem schmierig glatten Boden und den entarteten Reliefs, die jene anderen Darstellungen, deren Stelle sie eingenommen hatten, nachäfften und verhöhnten davongerannt, bevor wir sahen, was wir schließlich sehen mußten, und bevor sich etwas in unsere Seelen brannte, daß uns nie mehr wird ruhig atmen lassen!
    Beide Taschenlampen richteten wir auf die niedergestreckten Gestalten, und wir erkannten bald das beherrschende Merkmal ihrer Unvollständigkeit. Verstümmelt, gequetscht, verrenkt und zerrissen waren sie, doch die schlimmste, allen gemeinsame Verletzung war die totale Enthauptung. Von
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